1950 — 1959

Hanno Edelmann im Atelier Hamburg Kedenburgstraße 1959

Die Gaukler kommen 1950 Oel / Leinwand 90/110 cm

Boote auf der Seine 1954 Oel auf Hartfaserplatte 50/80 cm

Stilleben mit Fisch 1957 Oel auf Leinw. 54/70 cm

Kirchgang 1959 Oel / Leinw. 70/120 cm

Alter Holländer 1959 Oel / Leinw. 120/76 cm

Erika E 1959 Oel / Leinw. 133/92 cm

Madonna 1959 Oel / Leinwand 100/87 cm
Abseits der Modelinien
Neue Bilder von Hanno Edelmann in Hamburg
Schon das ist im gegenwärtigen modischen Leerlauf des Ausstellungsbetriebes ein Qualitätskriterium: diese Ausstellung fesselt, sie erregt. Der Kontakt zwischen Bild und Betrachter stellt sich unmittelbar her. Diese Bilder, man spürt es sofort und kann es dann auch dokumentieren, sind gesammelte Energie, sie haben, was modische Normalbilder trotz wildester Interpretationsversuche einfach nicht haben können: ein Kraftfeld, das sie umgibt. Ein menschliches Kraftfeld, in dem sich der weithin fehlende Prozeß zwischen Bild und Betrachter herstellt. Der Prozeß von Wirkung und Reaktion.
Allein diese Tatsache bedeutet viel: der Stromkreis zwischen Bild und Betrachter schließt sich; Bezüge, Verhältnisse ergeben sich. Die Isolation zum „Bild an sich” ist aufgehoben — das ist der entscheidende Schritt: diese neuen Bilder von Hanno Edelmann sind intensive, fühlbar ehrliche Arbeit an der Wirklichkeit, und genau damit erreichen sie dann auch zwangsläufig den vollkommen künstlerischen Bezirk der Wirksamkeit. Das hat nichts zu tun mit der entweder abwertend oder gut gemeinten Formel „Zurück zum Gegenstand” — der Gegenstand allein besagt noch gar nichts. Und das hat weiterhin nichts (jedenfalls nicht allein) zu tun mit der rein formalen Art der Umsetzung des Gegenstandes zum Bild.
Sondern mit der Verwirklichung im Bild. Mit dem Prinzip des Engagements — Engagement im weitesten Sinne. Hier und nur hier beginnt heute Avantgarde — ganz und gar nicht dort, wo zur Zeit dieser Begriff offiziös postuliert und annektiert wird: bei der ebenso zahlreichen wie künstlerisch kümmerlichen ästhetizistischen Nachhut, die selbst im verbissensten formalen Experiment nur noch ganz auf der Außenhaut der künstlerischen Vorbilder variiert oder sich selbst plagiiert.
Vollkommen abseits dieser Modelinien arbeitet Hanno Edelmann, der sich seit einiger Zeit von seiner zur ästhetischen Perfektion entwickelten, äußerst dekorativen Bildwelt löste und mit ungewöhnlicher künstlerischer Ernsthaftigkeit zu Bildern von komprimierter Realität und geistig beherrschter Expressivität vorstieß. Dass er dabei gleichzeitig eine ungeheure malerische Qualität erreicht, dass er die verblüffend breite und ebenso subtile Skala seiner bildnerischen Mittel niemals verselbständigt, dass sich diese menschlichen Realitäten der Bildwelts Hanno Edelmanns in seinen künstlerischen Mitteln im Bild verwirklichen — das macht Edelmann ganz ohne Zweifel zu einem der wirklich wichtigen deutschen Maler der Gegenwart. Und zwar — man muss die Prophetie hier wagen — zu einem der kommenden Maler (Edelmann ist jetzt genau 38 Jahre alt). Was die Arbeit Edelmanns charakterisiert, ist zweierlei:
Die ständige Neuorientierung seiner künstlerischen Mittel, vom Thema, von der Sache ausgehend. Er zwängt also nicht den lediglich zum Vorwand genommenen Gegenstand in modische Schablonen, er tut das Gegenteil: er manifestiert seine Inhalte (er hat sie!) im Bild, dieser Prozeß provoziert die künstlerischen Mittel. Es gibt in seinen neuen Bildern, in den besten jedenfalls, keinerlei isolierte formale Eitelkeiten und Zutaten, schon gar keine Tricks und Mätzchen.
Und zweitens: Edelmann arbeitet am Menschenbild. Das unterscheidet ihn von der willkürlichen, geistig sinnlosen und nur formal begründeten Deformation (die längst zu gängigen Klischees und ausführbaren Rezepten führte) ebenso wie von einem gewaltsamen, veräußerlichten „Wiederinstandsetzen” des zerborstenen Menschenbildes. Er arbeitet ehrlich und schwer daran — beklemmende Figuren gelingen ihm: die schmerzliche Präzision der „Frau und Blumenvase”; die knochige, karstige Körperlichkeit des „Sitzenden Mädchens”, die gestreckten Halbfiguren seiner Frauen, in denen er
die verdrängten Bedrohungen, die überspielten Zerstörungen, die verpuppten Einsamkeiten sichtbar gemacht hat. Edelmanns Abstraktion bedeutet Durchstoßen zu geistigen Wirklichkeiten, und dann: Konzentration statt Auflösung. Genau dieser Prozeß ist fast nachzuvollziehen in einigen Porträts (etwa dem Porträt Dr. G.), bei denen die atemberaubende Präzision des Bildbaues, der Verzahnung von Figur und Kopf mit dem Bildgrund ganz von innen her entwickelt ist und über die Verschmelzung mit dem (in sich erhaltenen) Individuellen zum stellvertretenden Bild wird.
Eine Gefahr könnte es geben für diesen Maler: daß er irgendwann, wenn sein humanes Engagement sich nicht fortschreitend festigt und präzisiert, in einen (wie bei Büffet) lediglich dekorativen Miserabilismus abrutscht.
Auf jeden Fall ist diese Ausstellung (Hamburg, Völkerkundemuseum) eine der wichtigsten und bemerkenswertesten des Jahres, alt