
Ausstellung im Oberlichtsaal des Völkerkundemusems Hamburg 1961
Abseits der Modelinien
Neue Bilder von Hanno Edelmann in Hamburg
Schon das ist im gegenwärtigen modischen Leerlauf des Ausstellungsbetriebes ein Qualitätskriterium: diese Ausstellung fesselt, sie erregt. Der Kontakt zwischen Bild und Betrachter stellt sich unmittelbar her. Diese Bilder, man spürt es sofort und kann es dann auch dokumentieren, sind gesammelte Energie, sie haben, was modische Normalbilder trotz wildester Interpretationsversuche einfach nicht haben können: ein Kraftfeld, das sie umgibt. Ein menschliches Kraftfeld, in dem sich der weithin fehlende Prozeß zwischen Bild und Betrachter herstellt. Der Prozeß von Wirkung und Reaktion.
Allein diese Tatsache bedeutet viel: der Stromkreis zwischen Bild und Betrachter schließt sich; Bezüge, Verhältnisse ergeben sich. Die Isolation zum „Bild an sich” ist aufgehoben — das ist der entscheidende Schritt: diese neuen Bilder von Hanno Edelmann sind intensive, fühlbar ehrliche Arbeit an der Wirklichkeit, und genau damit erreichen sie dann auch zwangsläufig den vollkommen künstlerischen Bezirk der Wirksamkeit. Das hat nichts zu tun mit der entweder abwertend oder gut gemeinten Formel „Zurück zum Gegenstand” — der Gegenstand allein besagt noch gar nichts. Und das hat weiterhin nichts (jedenfalls nicht
allein) zu tun mit der rein formalen Art der Umsetzung des Gegenstandes zum Bild.
Sondern mit der Verwirklichung im Bild. Mit dem Prinzip des Engagements — Engagement im weitesten Sinne. Hier und nur hier beginnt heute Avantgarde — ganz und gar nicht dort, wo zur Zeit dieser Begriff offiziös postuliert und annektiert wird: bei der ebenso zahlreichen wie künstlerisch kümmerlichen ästhetizistischen Nachhut, die selbst im verbissensten formalen Experiment nur noch ganz auf der Außenhaut der künstlerischen Vorbilder variiert oder sich selbst plagiiert.
Vollkommen abseits dieser Modelinien arbeit Hanno Edelmann, der sich seit einiger Zeit von seiner zur ästhetischen Perfektion entwickelten, äußerst dekorativen Bildwelt löste und mit ungewöhnlicher künstlerischer Ernsthaftigkeit zu Bildern von komprimierter Realität und geistig beherrschter Expressivität vorstieß. Daß er dabei gleichzeitig eine ungeheure malerische Qualität erreicht, daß er die verblüffend breite und ebenso subtile Skala seiner bildnerischen Mittel niemals verselbständigt, daß sich diese menschlichen Realitäten der Bildwelts Hanno Edelmanns in seinen künstlerischen Mitteln im Bild verwirklichen — das macht Edelmann ganz ohne Zweifel zu einem der wirklich wichtigen deutschen Maler der Gegenwart. Und zwar — man muß die Prophetie hier wagen — zu einem der kommenden Maler (Edelmann ist jetzt genau 38 Jahre alt). Was die Arbeit Edelmanns charakterisiert, ist zweierlei:
Die ständige Neuorientierung seiner künstlerischen Mittel, vom Thema, von der Sache ausgehend. Er zwängt also nicht den lediglich zum Vorwand genommenen Gegenstand in modische Schablonen, er tut das Gegenteil: er manifestiert seine Inhalte (er hat sie!) im Bild, dieser Prozeß provoziert die künstlerischen Mittel. Es gibt in seinen neuen Bildern, in den besten jedenfalls, keinerlei isolierte formale Eitelkeiten und Zutaten, schon gar keine Tricks und Mätzchen.
Und zweitens: Edelmann arbeitet am Menschenbild. Das unterscheidet ihn von der willkürlichen, geistig sinnlosen und nur formal begründeten Deformation (die längst zu gängigen Klischees und ausführbaren Rezepten führte) ebenso wie von einem gewaltsamen, veräußerlichten „Wiederinstandsetzen” des zerborstenen Menschenbildes. Er arbeitet ehrlich und schwer daran — beklemmende Figuren gelingen ihm: die schmerzliche Präzision der „Frau und Blumenvase”; die knochige, karstige Körperlichkeit des „Sitzenden Mädchens”, die gestreckten Halbfiguren seiner Frauen, in denen er
die verdrängten Bedrohungen, die überspielten Zerstörungen, die verpuppten Einsamkeiten sichtbar gemacht hat. Edelmanns Abstraktion bedeutet Durchstoßen zu geistigen Wirklichkeiten, und dann: Konzentration statt Auflösung. Genau dieser Prozeß ist fast nachzuvollziehen in einigen Porträts (etwa dem Porträt Dr. G.), bei denen die atemberaubende Präzision des Bildbaues, der Verzahnung von Figur und Kopf mit dem Bildgrund ganz von innen her entwickelt ist und über die Verschmelzung mit dem (in sich erhaltenen) Individuellen zum stellvertretenden Bild wird.
Eine Gefahr könnte es geben für diesen Maler: daß er irgendwann, wenn sein humanes Engagement sieh nicht fortschreitend festigt und präzisiert, in einen (wie bei Buffet) lediglich dekorativen Miserabilismus abrutscht.
Auf jeden Fall ist diese Ausstellung (Hamburg, Völkerkundemuseum) eine der wichtigsten und bemerkenswertesten des Jahres, alt
Peter Altmann, Hamburg 1961
Die Kunst braucht das Wagnis. Heute vielleicht mehr als je zu anderen Zeiten. Den Künstlern aber bieten sich, kulturpessimistischem Lamento zum Trotz und opportunistischen Verführungen zur Scham, bedeutende Chancen, solches Wagnis im Sinne eines rechten geistigen, schöpferischen Abenteuers mit Erfolg zu bestehen. Das wird ihnen honoriert schon durch die intensive Diskussion ihrer Schöpfungen als Ausdruckszeichen und Wegmarken einer Menschheitsepoche inmitten verwirrender Problematik. Selbst der Verketzerung der Gegenwartskunst unter der Pression unduldsamer Cliquen, ja dem Terror totalitärer Mächte entspringt noch ein gewichtiges Plus: die (wenn auch negativ gefaßte) Bestätigung der künstlerischen Existenz, der Freiheit und Wahrhaftigkeit künstlerischen Schaffens.
Diese Situation, recht begriffen, bindet den Künstler allerdings in sehr tiefer, sehr verantwortungsvoller Weise an die Welt. An den Menschen, der sich — in Angst und Ratlosigkeit, leichtfertig ahnungslos um die Konsequenz seiner Hybris — von gespenstischen Kräften umstellt und bedroht sieht. Von daher trifft den Künstler der unausweichliche Ruf, sich aus der Position des L’art pour l’art, des zum Narzißmus kultivierten Individualismus herauszulösen. Was indes nicht ein gesellschaftliches oder weltanschauliches Engagement bedeuten muß. Ironisches Paradox: Einerseits das in der breiten Öffentlichkeit erstaunlich gewachsene Renommee der Künstler und der Kunst -, bis zur grotesken kommerziellen Verzerrung; andererseits die Isolation, die unverbindliche Subjektivität, in der die Aktion versiegt und die der Kunst in unserem Jahrhundert gewonnene Freiheit in modischer, ästhetizistischer Kleinmünzerei zerbröselt. Die Kühnheit des Experiments erstarrt in selbstgefälligem Konventikeltum.
Kandinskys mitreißender Gedanke vom Stil und die durch ihn initiierte Bewegung verebben gerade bei denen, die sich auf ihn als den Messias der Modernität berufen und die doch nicht mehr als ein Epigonentum artistisch perfekt und wohlgefällig zur Schau stellen. Avantgarde 59, Avantgarde 60, Avantgarde 61 … Alle Jahre wieder. Manierismus mit Pathos. In der Ars viva begnügt sich eine Gilde junger Talente, geniale Vorbilder und Entwürfe zu variieren und gibt sich dem trügerischen Schlüsse hin, damit neue Ordnungen zu manifestieren.
Diese Gedanken kommen mir um so bestürzender in den Sinn, da ich eine Ausstellung zu präludieren habe. Gleichwohl, weder schmälern noch schmähen sie das aus Liebe und Leidenschaft zur Kunst entsprungene Vertrauen in die Existenz und Potenz der Kunst, auch und gerade in der Gegenwartskrise. Mitten aus ihr geformt, in sie hineingestellt ist das Werk, das sich hier präsentiert: das Werk Hanno Edelmanns. In Arbeiten der letzten Jahre, die die Dynamik des Schaffens, den Ernst des Einsatzes und den Prozeß der Reife bezeugen: den unbeirrt von gängigen Tendenzen behaupteten Stil. Aus dem eigenen künstlerischen Gewissen heraus wird hier in Frage gestellt und so zu entscheidender Prägnanz vorgestoßen. Der Mannigfaltigkeit der bildnerischen Phantasie entspricht die Vielschichtigkeit der Bilder, die über die Transparenz in die Transzendenz zielen. Themen, Motive aus der Wirklichkeit des Augenscheins: sie sind Anlässe und Anstöße zu einem ins Wesentliche überhöhten Ausdruck. Die expressive Dynamik steht in Spannung zur kompositorischen Strenge. Ihr ist auch die immer mehr erreichte Verdichtung des Farbkanons — bei differenzierter Farbigkeit und feinem Gespür für peinture — äquivalent. Die zunehmend sparsamere Ökonomie der Mittel bedeutet Souveränität in ihrer Beherrschung und Komprimierung des Ausdrucks. Mittelpunkt von Hanno Edelmanns Werk ist — und dies besonders macht es in dem eingangs genannten Sinne erregend aktuell — der Mensch. Der Mensch in der Bedrohung, in der Versuchung, in der Welt zerbrechender Formen. Das — im Bilde aus dem Geist und der Kraft der Kunst bewältigt — gibt dem Oeuvre Hanno Edelmanns packenden Gleichnischarakter.
Paul Theodor Hoffmann

Ausstellung in der Kunsthalle Bielefeld 1961
Nach längerer Zeit kann man von dem, was als Ausstellung im Städtischen Kunsthaus Bielefeld “zu sehen ist;: wieder einmal als von einem wirklichen Ereignis sprechen. Ereignis insofern, als man mit den Gemälden, Handzeichnungen und graphischen Blättern des 37 Jahre alten hamburgischen Malers Hanno Edelmann einem Vollblutkünstler begegnet, der hierzulande bisher so gut wie völlig unbekannt war. Wir verdanken diese Begegnung dem Hamburger Sammler und künstlerischen Betreuer Edelmanns, Dr. Gustav Guhr, darüber hinaus aber vor allem dem wachen Spürsinn von Eberhard Pinder, der im übrigen für die Plazierung all der leuchtenden Farbenfülle der Edelmannschen meist großformatigen Bilder in den drei Räumen des Kunsthauses an der Wertherstraße das rechte Maß und das gute Licht gefunden hat.
Man spürt es auf den ersten Blick: Hanno Edelmann ist ein später Nachfahre der Expressionisten, bisweilen freilich auch einem Modernen wie Bernard Buffet (vor allem in seinen Porträts) verwandt, durch viele ähnliche Züge seiner Signatur aber auch einem so aussagestarken heimischen Künstler wie Peter August Böckstiegel vergleichbar. Gewiß präsentiert der vitale junge Künstler nicht ein in sich gerundetes, abgeschlossenes Oevre mit seinen Bildern, sondern hier ist alles noch weitgehend, wie er selbst sagt, „im Fluß”, ist gleichsam noch auf dem Wege zur Vollendung. Dennoch ragen da einzelne Stücke heraus, die wie der geniale Wurf eines Augenblicks anmuten und die kommende Meisterschaft verraten. Dabei denken wir an die wie Samt leuchtenden Farben seiner frühen
Zeit, denken etwa an die in ihrer geistigen Struktur und. technischen Perfektion gleicherweise imponierenden Graphiken spanischer Landschaften.
Es ist das Blau, das Hanno Edelmann in immer neuen, oft verblüffenden Effekten variiert, Symphonien in Blau sind seine Porträts, seine Landschaften, seine Stilleben oder jene für die geistige Situation seines Künstlertums bezeichnende Gruppe der Mädchen im Raum — ein in dunkles Blau gehülltes großes Zimmer, in dem die Menschen, nur noch
als Zeichen wahrnehmbar, beziehungslos nebeneinander sitzen: Eindrucksvolles Spiegelbild der gesellschaftlichen Isolierung des Menschen unserer Tage! Ueber allem aber leuchtet mit einer Transparenz, wie man sie sonst nur von der Glasmalerei kennt, Edelmanns Triptychon — Gipfel eines Künstlertums, das uns hoffen heißt, und das ihn allein schon deshalb aus der Masse der malenden Zeitgenossen heraushebt, weil hier allein der Mensch und die Interpretation seiner Situation das Maß aller Dinge geblieben ist. ug.
Ausstellung im Neuen Kunstzentrum, Hamburg 1966
Der Hamburger Hanno Edelmann
Ausstellung von Gemälden und Graphiken
Im Neuen Kunst Zentrum Valentinskamp 46 stellt der 43jährige Hamburger Hanno Edelmann Gemälde und Graphiken aus. Er gehört zu jenen gestalterischen Menschen die zu den Wurzeln der menschlichen Existenz hindurchloten, um das Brüchige, Fragwürdige, Schemhafte, von Schmerzen Bedrohte, Weltverlorene und das falsche Selbstverständnis bildnerisch zu fassen. Wollte etwa einer leugnen, daß die oft so schrecklich anmutenden Gebärden der modernen Kunst das notwendige dialektische Gegengewicht zur irreligiösen Bindungslosigkeit, zur materialistischen Ramschsucht, zur oberflächlichen Aufgeblasenheit und den falschen Werten unserer Tage sind? Deshalb malt Edelmann das „wahre Gesicht von unterhalb”, nimmt Clowns, Bettler, Kartenspieler und Liliputaner zur Darstellung seines menetekelhaften Lebensgefühls. Es sind keine unmodernen, sondern zeitlose Leitbilder.
Die enorme Aktivität dieser Malerei rührt daher, daß sie an der Wurzel angreift. Dabei gehorcht die Technik dem Künstler geschmeidig und virtuos.
Rippenhaft-verwitternde Schraffuren netzhaft sich verfangende Lineaturen und Disproportionen gehören zum spätexpressionistischen Stilkreis. Die Farben sind immer intensiv, besonders im Karmin, Braunrot oder Blaugrün.
Die Graphiken sind ein Kompendium aller möglichen Griffelführungen, teils rasterartig, teils sensibel ins Einzelne gehend, teils das Dekorative betonend oder fleckig tachistisch, immer aber höchst hintergründig. Die Tektonik stellt das Objekt frontal in die Mitte, in einer gewollten Starre der Typen, aber mit sprechenden Augen und aufgerissenen Mündern. Wenn man natürlich nur das äußerlich Formale an der Kunst sieht, ohne das Werk geistesgeschichtlich zu erkennen, geht man an der Wahrheit vorbei.
Hanno Edelmann gehört auch in seinen neuen Schöpfungen zu den sehr bemerkenswerten Künstlern Hamburgs.
Will Hofmann