Figürliche Malerei der Deutschen Nachkriegszeit

Die Kunst braucht das Wagnis

 

. Heu­te viel­leicht mehr als je zu ande­ren Zei­ten. Den Künst­lern aber bie­ten sich, kul­tur­pes­si­mis­ti­schem Lamen­to zum Trotz und oppor­tu­nis­ti­schen Ver­füh­run­gen zur Scham, bedeu­ten­de Chan­cen, sol­ches Wag­nis im Sin­ne eines rech­ten geis­ti­gen, schöp­fe­ri­schen Aben­teu­ers mit Erfolg zu bestehen. Das wird ihnen hono­riert schon durch die inten­si­ve Dis­kus­si­on ihrer Schöp­fun­gen als Aus­drucks­zei­chen und Weg­mar­ken einer Mensch­heits­epo­che inmit­ten ver­wir­ren­der Pro­ble­ma­tik.

Selbst der Ver­ket­ze­rung der Gegen­warts­kunst unter der Pres­si­on unduld­sa­mer Cli­quen, ja dem Ter­ror tota­li­tä­rer Mäch­te ent­springt noch ein gewich­ti­ges Plus: die (wenn auch nega­tiv gefaß­te) Bestä­ti­gung der künst­le­ri­schen Exis­tenz, der Frei­heit und Wahr­haf­tig­keit künst­le­ri­schen Schaf­fens.

Die­se Situa­ti­on, recht begrif­fen, bin­det den Künst­ler aller­dings in sehr tie­fer, sehr ver­ant­wor­tungs­vol­ler Wei­se an die Welt. An den Men­schen, der sich — in Angst und Rat­lo­sig­keit, leicht­fer­tig ahnungs­los um die Kon­se­quenz sei­ner Hybris — von gespens­ti­schen Kräf­ten umstellt und bedroht sieht. Von daher trifft den Künst­ler der unaus­weich­li­che Ruf, sich aus der Posi­ti­on des L’art pour l’art, des zum Nar­ziß­mus kul­ti­vier­ten Indi­vi­dua­lis­mus her­aus­zu­lö­sen. Was indes nicht ein gesell­schaft­li­ches oder welt­an­schau­li­ches Enga­ge­ment bedeu­ten muß.

Iro­ni­sches Para­dox: Einer­seits das in der brei­ten Öffent­lich­keit erstaun­lich gewach­se­ne Renom­mee der Künst­ler und der Kunst -, bis zur gro­tes­ken kom­mer­zi­el­len Ver­zer­rung; ande­rer­seits die Iso­la­ti­on, die unver­bind­li­che Sub­jek­ti­vi­tät, in der die Akti­on ver­siegt und die der Kunst in unse­rem Jahr­hun­dert gewon­ne­ne Frei­heit in modi­scher, ästhe­ti­zis­ti­scher Klein­mün­ze­rei zer­brö­selt.

Die Kühn­heit des Expe­ri­ments erstarrt in selbst­ge­fäl­li­gem Kon­ven­ti­kel­tum.
Kan­din­skys mit­rei­ßen­der Gedan­ke vom Stil und die durch ihn initi­ier­te Bewe­gung ver­eb­ben gera­de bei denen, die sich auf ihn als den Mes­si­as der Moder­ni­tät beru­fen und die doch nicht mehr als ein Epi­go­nen­tum artis­tisch per­fekt und wohl­ge­fäl­lig zur Schau stel­len. Avant­gar­de 59, Avant­gar­de 60, Avant­gar­de 61 … Alle Jah­re wie­der. Manie­ris­mus mit Pathos. In der Ars viva begnügt sich eine Gil­de jun­ger Talen­te, genia­le Vor­bil­der und Ent­wür­fe zu vari­ie­ren und gibt sich dem trü­ge­ri­schen Schlüs­se hin, damit neue Ord­nun­gen zu mani­fes­tie­ren.
Die­se Gedan­ken kom­men mir um so bestür­zen­der in den Sinn, da ich eine Aus­stel­lung zu prä­lu­die­ren habe.

Gleich­wohl, weder schmä­lern noch schmä­hen sie das aus Lie­be und Lei­den­schaft zur Kunst ent­sprun­ge­ne Ver­trau­en in die Exis­tenz und Potenz der Kunst, auch und gera­de in der Gegen­warts­kri­se. Mit­ten aus ihr geformt, in sie hin­ein­ge­stellt ist das Werk, das sich hier prä­sen­tiert: das Werk Han­no Edel­manns.

In Arbei­ten der letz­ten Jah­re, die die Dyna­mik des Schaf­fens, den Ernst des Ein­sat­zes und den Pro­zeß der Rei­fe bezeu­gen: den unbe­irrt von gän­gi­gen Ten­den­zen behaup­te­ten Stil. Aus dem eige­nen künst­le­ri­schen Gewis­sen her­aus wird hier in Fra­ge gestellt und so zu ent­schei­den­der Prä­gnanz vor­ge­sto­ßen. Der Man­nig­fal­tig­keit der bild­ne­ri­schen Phan­ta­sie ent­spricht die Viel­schich­tig­keit der Bil­der, die über die Trans­pa­renz in die Tran­szen­denz zie­len.

The­men, Moti­ve aus der Wirk­lich­keit des Augen­scheins: sie sind Anläs­se und Anstö­ße zu einem ins Wesent­li­che über­höh­ten Aus­druck. Die expres­si­ve Dyna­mik steht in Span­nung zur kom­po­si­to­ri­schen Stren­ge. Ihr ist auch die immer mehr erreich­te Ver­dich­tung des Farb­ka­nons — bei dif­fe­ren­zier­ter Far­big­keit und fei­nem Gespür für pein­ture — äqui­va­lent.

Die zuneh­mend spar­sa­me­re Öko­no­mie der Mit­tel bedeu­tet Sou­ve­rä­ni­tät in ihrer Beherr­schung und Kom­pri­mie­rung des Aus­drucks. Mit­tel­punkt von Han­no Edel­manns Werk ist — und dies beson­ders macht es in dem ein­gangs genann­ten Sin­ne erre­gend aktu­ell — der Mensch. Der Mensch in der Bedro­hung, in der Ver­su­chung, in der Welt zer­bre­chen­der For­men. Das — im Bil­de aus dem Geist und der Kraft der Kunst bewäl­tigt — gibt dem Oeu­vre Han­no Edel­manns packen­den Gleich­nis­cha­rak­ter.
Paul Theo­dor Hoff­mann 1961

Die Kunst braucht das Wag­nis. Heu­te viel­leicht mehr als je zu ande­ren Zei­ten. Den Künst­lern aber bie­ten sich, kul­tur­pes­si­mis­ti­schem Lamen­to zum Trotz und oppor­tu­nis­ti­schen Ver­füh­run­gen zur Scham, bedeu­ten­de Chan­cen, sol­ches Wag­nis im Sin­ne eines rech­ten geis­ti­gen, schöp­fe­ri­schen Aben­teu­ers mit Erfolg zu bestehen. Das wird ihnen hono­riert schon durch die inten­si­ve Dis­kus­si­on ihrer Schöp­fun­gen als Aus­drucks­zei­chen und Weg­mar­ken einer Mensch­heits­epo­che inmit­ten ver­wir­ren­der Pro­ble­ma­tik. Selbst der Ver­ket­ze­rung der Gegen­warts­kunst unter der Pres­si­on unduld­sa­mer Cli­quen, ja dem Ter­ror tota­li­tä­rer Mäch­te ent­springt noch ein gewich­ti­ges Plus: die (wenn auch nega­tiv gefaß­te) Bestä­ti­gung der künst­le­ri­schen Exis­tenz, der Frei­heit und Wahr­haf­tig­keit künst­le­ri­schen Schaf­fens.
Die­se Situa­ti­on, recht begrif­fen, bin­det den Künst­ler aller­dings in sehr tie­fer, sehr ver­ant­wor­tungs­vol­ler Wei­se an die Welt. An den Men­schen, der sich — in Angst und Rat­lo­sig­keit, leicht­fer­tig ahnungs­los um die Kon­se­quenz sei­ner Hybris — von gespens­ti­schen Kräf­ten umstellt und bedroht sieht. Von daher trifft den Künst­ler der unaus­weich­li­che Ruf, sich aus der Posi­ti­on des L’art pour l’art, des zum Nar­ziß­mus kul­ti­vier­ten Indi­vi­dua­lis­mus her­aus­zu­lö­sen. Was indes nicht ein gesell­schaft­li­ches oder welt­an­schau­li­ches Enga­ge­ment bedeu­ten muß. Iro­ni­sches Para­dox: Einer­seits das in der brei­ten Öffent­lich­keit erstaun­lich gewach­se­ne Renom­mee der Künst­ler und der Kunst -, bis zur gro­tes­ken kom­mer­zi­el­len Ver­zer­rung; ande­rer­seits die Iso­la­ti­on, die unver­bind­li­che Sub­jek­ti­vi­tät, in der die Akti­on ver­siegt und die der Kunst in unse­rem Jahr­hun­dert gewon­ne­ne Frei­heit in modi­scher, ästhe­ti­zis­ti­scher Klein­mün­ze­rei zer­brö­selt. Die Kühn­heit des Expe­ri­ments erstarrt in selbst­ge­fäl­li­gem Kon­ven­ti­kel­tum.
Kan­din­skys mit­rei­ßen­der Gedan­ke vom Stil und die durch ihn initi­ier­te Bewe­gung ver­eb­ben gera­de bei denen, die sich auf ihn als den Mes­si­as der Moder­ni­tät beru­fen und die doch nicht mehr als ein Epi­go­nen­tum artis­tisch per­fekt und wohl­ge­fäl­lig zur Schau stel­len. Avant­gar­de 59, Avant­gar­de 60, Avant­gar­de 61 … Alle Jah­re wie­der. Manie­ris­mus mit Pathos. In der Ars viva begnügt sich eine Gil­de jun­ger Talen­te, genia­le Vor­bil­der und Ent­wür­fe zu vari­ie­ren und gibt sich dem trü­ge­ri­schen Schlüs­se hin, damit neue Ord­nun­gen zu mani­fes­tie­ren.
Die­se Gedan­ken kom­men mir um so bestür­zen­der in den Sinn, da ich eine Aus­stel­lung zu prä­lu­die­ren habe. Gleich­wohl, weder schmä­lern noch schmä­hen sie das aus Lie­be und Lei­den­schaft zur Kunst ent­sprun­ge­ne Ver­trau­en in die Exis­tenz und Potenz der Kunst, auch und gera­de in der Gegen­warts­kri­se. Mit­ten aus ihr geformt, in sie hin­ein­ge­stellt ist das Werk, das sich hier prä­sen­tiert: das Werk Han­no Edel­manns. In Arbei­ten der letz­ten Jah­re, die die Dyna­mik des Schaf­fens, den Ernst des Ein­sat­zes und den Pro­zeß der Rei­fe bezeu­gen: den unbe­irrt von gän­gi­gen Ten­den­zen behaup­te­ten Stil. Aus dem eige­nen künst­le­ri­schen Gewis­sen her­aus wird hier in Fra­ge gestellt und so zu ent­schei­den­der Prä­gnanz vor­ge­sto­ßen. Der Man­nig­fal­tig­keit der bild­ne­ri­schen Phan­ta­sie ent­spricht die Viel­schich­tig­keit der Bil­der, die über die Trans­pa­renz in die Tran­szen­denz zie­len. The­men, Moti­ve aus der Wirk­lich­keit des Augen­scheins: sie sind Anläs­se und Anstö­ße zu einem ins Wesent­li­che über­höh­ten Aus­druck. Die expres­si­ve Dyna­mik steht in Span­nung zur kom­po­si­to­ri­schen Stren­ge. Ihr ist auch die immer mehr erreich­te Ver­dich­tung des Farb­ka­nons — bei dif­fe­ren­zier­ter Far­big­keit und fei­nem Gespür für pein­ture — äqui­va­lent. Die zuneh­mend spar­sa­me­re Öko­no­mie der Mit­tel bedeu­tet Sou­ve­rä­ni­tät in ihrer Beherr­schung und Kom­pri­mie­rung des Aus­drucks. Mit­tel­punkt von Han­no Edel­manns Werk ist — und dies beson­ders macht es in dem ein­gangs genann­ten Sin­ne erre­gend aktu­ell — der Mensch. Der Mensch in der Bedro­hung, in der Ver­su­chung, in der Welt zer­bre­chen­der For­men. Das — im Bil­de aus dem Geist und der Kraft der Kunst bewäl­tigt — gibt dem Oeu­vre Han­no Edel­manns packen­den Gleich­nis­cha­rak­ter.
Paul Theo­dor Hoff­mann

Mei­nen Lebens­lauf beschrän­ke ich gern auf die kur­ze For­mel : 1923 gebo­ren, malt und model­liert seit­dem. So sim­pel das auch klin­gen mag oder frech — mir scheint es eher natür­lich, denn man ist ein Maler von Anfang an oder ist es nie. Mir gal­ten der Blei­stift, die Far­be, das Schnitz­mes­ser und spä­ter, als ich 6 Jah­re alt wur­de, die Gei­ge mehr als alles ande­re.

Das Früheste,woran ich mich erin­nern kann, ist, daß ich in die kost­ba­re, schwarz­la­ckier­te Sin­ger-Näh­ma­schi­ne mei­ner Eltern mit einer Nadel Figu­ren ritz­te. Mei­ne Oma, die so schön sin­gen konn­te und Opa mit sei­nem gro­ßen, gerin­gel­ten Schnurr­bart fan­den auf ihr Platz. Auch ein “Bild­nis” von mir kratz­te ich dazu. Obwohl ich mir so viel Mühe gege­ben hat­te, ern­te­te ich kei­nen Bei­fall dafür. Statt des­sen zog mein Vater mir die Hosen stramm. Vor 4 1/2 tau­send Jah­ren ent­stand eine Selbst­dar­stel­lung — oh nein, sie stammt nicht von mir. Dies Selbst­bild­nis ist das frü­hes­te uns bekann­te. Ein Künst­ler schuf es auf einem Kalk­stein­re­li­ef in einer Grab­kam­mer nahe der Pyra­mi­den von Sak­kra. Fra­gen Sie mich bit­te nicht nach der Ähn­lich­keit. Auch Dürers Selbst­bild­nis als Chris­tus oder Rem­brandts als Offi­zier wei­sen nur gerin­ge Ähn­lich­keit mit ihrem Schöp­fer auf. Phi­di­as’ Selbst­por­trät auf dem Schild der Athe­na mag da schon ahn­li­cher gera­ten sein. Man sieht einen glatz­köp­fi­gen Mann mit gewölb­ter Stirn und gefurch­ten Zügen inmit­ten idea­li­sis­er­ter Gesich­ter der grie­chi­schen Krie­ger. Sehen Sie selbst ein­mal unter dem Aspekt eines Bild­nis­ses in einen Spie­gel oder neh­men einen Kon­vex­spie­gel zur Hand wie Par­mi­g­nia­ni­no. Sein Spiel mit ver­zerr­ten Per­spek­ti­ven führ­te manch­mal zur tota­len Unkennt­lich­keit des Dar­ge­stell­ten oder zu ana­mo­r­phen Bil­der­rät­seln, wie sie im 16. Jahr­hun­dert so beliebt waren. Mit zwei recht­wink­lig zuein­an­der­ge­stell­ten Spie­geln kön­nen Sie Ihr Spie­gel­bild gar auf den Kopf stel­len. Heu­te nennt man eine Selbst­dar­stel­lung schlicht “Selbst”. Das Selbst ist das dank­bars­te Modell. Es ist jeder­zeit bereit, sitzt still, badet sich in Licht und Schat­ten oder füllt Räu­me. Es macht Frat­zen und läßt sich ver­klei­den. Kunst­his­to­ri­ker lie­ben es, weil sich dar­über gan­ze Bücher schrei­ben las­sen. Gia­co­metti redu­zier­te sich vor dem Spie­gel auf eine Linie. Der spa­ni­sche Maler Botero bläht sich in sei­nem Selbst zu einem Mar­ken­zei­chen auf. Der Ham­bur­ger Zeich­ner Horst Jans­sen füll­te, wie er selbst schrieb, mit ihm die Zei­ten, in denen ihm nichts ein­fiel. In mei­nem Oeu­vre gibt es nur weni­ge die­ser Selbst, weil mir immer etwas ein­fällt. Dafür aber wer­den Sie in vie­len Bil­dern, auf denen ich Figu­ren male, mei­ne lan­ge Nase fin­den. So gese­hen, ist jedes Bild von mir auch ein Selbst im Bil­de. In der Zeit des groß­deut­schen Dik­ta­tors spie­gel­te sich die Klein­bür­ger­lich­keit der Macht­ha­ber in der Kunst jener Zeit. Zufäl­lig sah ich in der Aus­stel­lung der zur “Ent­ar­te­ten” erklär­ten Moder­ne die Winds­braut von Kokosch­ka und eini­ge Plas­ti­ken, die mich lan­ge beschäf­tig­ten. Das war das Ein­zi­ge, was ich von die­ser “gif­ti­gen” Kunst über­haupt ken­nen­ler­nen durf­te in jener bedrü­cken­den Zeit. Wäh­rend des Stu­di­ums auf der Aka­de­mie herrsch­te um uns her­um die abs­trak­te Kunst — mög­li­cher­wei­se als Reak­ti­on auf die 1000 Jah­re pri­mi­tivs­ten Natu­ra­lis­mus heroi­scher Prä­gung. Wer wie wir dem Gegen­ständ­li­chen, der Natur als Quel­le aller Inspi­ra­tio­nen treu blieb, ohne auch nur ent­fernt natu­ra­lis­tisch zu sein, hat­te nichts zu lachen. Beach­tung fand sich nur im ande­ren Lager. Wir schwam­men gegen den Strom, ohne zu wis­sen, ob sich das Blatt jemals wen­den wür­de. Wer hät­te damals gedacht, daß sich das wirk­lich schon zwei Jahr­zehn­te danach ereig­nen soll­te, als der berühm­te Wer­ner Haft­mann, einer unse­rer Leh­rer, noch die Welt­kunst beschwor. Der Bild­hau­er Edwin Scharff pack­te ihn damals zor­nig an der Brust und pol­ter­te: “Wir machen die Kunst, nicht Ihr!” Mei­ne Frau Eri­ka, damals auch Schü­le­rin der glei­chen Aka­de­mie, stell­te ihr Licht unter den Schef­fel und wur­de mei­ne Muse. Sie gab mir in die­ser schwie­ri­gen Zeit Mut und Kraft. Ohne sie als mei­ne schärfs­te Kri­ti­ke­rin wären alle die Bil­der und Plas­ti­ken nicht so ent­stan­den.

Der eng­li­sche Maler Gains­bo­rough ließ sich von sei­nem Die­ner einen Eichen­tisch in sein abge­dun­kel­tes Ate­lier brin­gen. Mit Sand, Stei­nen, Kork­stü­cken und Moos simu­lier­te er dar­auf sei­ne Land­schaf­ten. Brok­ko­li-Gemü­se wur­de zu Bäu­men. Er kne­te­te klei­ne Figu­ren aus Wachs, die er kunst­voll in die­se Schein­welt hin­ein­kom­po­nier­te. Dann zün­de­te er vie­le Ker­zen an, stu­dier­te die Licht- und Schat­ten­ver­hält­nis­se und mal­te wun­der­vol­le Bil­der danach.

Ein Mann ging lang­sam sei­nes Weges: Unter dem Arm trug er ein Bild. Plötz­lich hob er den Kopf und blick­te Ober die Schul­ter zurück. In die­sem Augen­blick began­nen die Kin­der, mit Stei­nen nach ihm zu wer­fen. Die­sen Bericht über die Stei­ni­gung durch die Kin­der von Aix gab uns Rai­ner Maria Ril­ke in sei­nen Brie­fen über Cezan­ne. Die­sem beschei­de­nen Mann ver­dankt die Kunst unse­res Jahr­hun­derts mehr als irgend­ei­nem ande­ren. Für ihn war ein Selbst­bild­nis nicht bedeut­sa­mer als ein Apfel oder ein Krug. Alles war nur Anlaß für sei­ne Male­rei. Renoirs Blu­men­bil­der ent­stan­den nach Papier­blu­men, weil die nicht wel­ken konn­ten, denn er mal­te lan­ge dar­an. Picas­so stu­dier­te sei­ne Model­le lan­ge, bevor er dann sei­ne Bild­nis­se ohne sie mal­te.

Anders die Welt des Pierre Bon­nard. Er unter­such­te die Bezie­hun­gen der Far­ben zuein­an­der und ihre Rol­len. Oran­ge macht bunt, Grün neu­tra­li­siert und Vio­lett schat­tet, sag­te einst Degas zu ihm. Bon­nards Töne sind uner­hört kühn. Er schaff­te eine neue Welt. Die Wol­ken wur­den rot, das Meer grün, und das Laub schim­mer­te rosa. Früch­te, selbst Gebäck und Brot wur­den zu Klein­odi­en der Male­rei. Der pro­ven­ca­li­schen Vase ent­strömt ein Hauch von saf­fran­gel­bem Licht. Er mal­te sei­ne Emp­fin­dun­gen beim Beob­ach­ten. Den ers­ten Ein­druck nie aus den Augen ver­lie­ren, sag­te er. Dann hol­te er sein Skiz­zen­heft aus der Tasche und mach­te Noti­zen.

Schöp­fe­ri­sche Arbeit läßt sich nicht in ein Kor­sett drän­gen. Kunst­händ­ler aber lie­ben es, Künst­ler wie Mar­ken­zei­chen zu han­deln. Bil­der von Ber­nard Büf­fet gleich nach dem Krie­ge, Horst Antes rumpf­lo­se Nur­kopf-Bil­der oder die heu­te so berühm­ten Nagel­bil­der von Ücker, so fas­zi­nie­rend eine ein­zel­ne Arbeit die­ser Künst­ler auch sein mag, sind sol­che dank­ba­ren Objek­te.

Anders unse­re Bil­der : Am frü­hen Mor­gen, nach einem guten Früh­stück, gehen wir wohl­ge­launt ins Ate­lier. Bringt der Brief­trä­ger eine längst fäl­li­ge Rech­nung oder hören wir im Radio, daß schon wie­der Men­schen umge­bracht, ein Flug­zeug ent­führt oder 1000 jäh­ri­ge Bäu­me gefällt wur­den, ver­düs­tert sich schon unser Him­mel. Man­ches davon fließt ein in Bil­der oder Plas­ti­ken. Wie kann ich also mor­gen so malen wie heu­te ?

So ent­steht eine eige­ne Bild­welt. Sie atmet den erre­gen­den Anlaß, das lei­den­schaft­li­che Enga­ge­ment. Wir gehö­ren kei­ner Schu­le an und sind ganz dar­auf bedacht, etwas Per­sön­li­ches zu schaf­fen. Eine Mischung aus Phan­ta­sie und Ver­stand, Begeis­te­rung und Stren­ge, Kühn­heit und Vor­sicht mit einem Sinn für das Geheim­nis­vol­le, Poe­sie und Gefühl für die Wirk­lich­keit.

Gehen Sie durch die Aus­stel­lung ohne sich ein­zu­en­gen in Scha­blo­nen vor­ge­ge­be­ner Kunst­be­trach­tung. Die­se Bil­der und Plas­ti­ken sind Schöp­fun­gen eines Ihrer Zeit­ge­nos­sen. Sie drän­gen­sich nicht auf, aber sie spre­chen eine inten­si­ve, eige­ne Spra­che. Die Moti­ve Narr und Har­le­kin, die Mas­ken und der “Car­ne­va­le dl Vene­zia” sind Meta­phern unse­rer Erschüt­te­run­gen aber auch Freu­de, die durch Male­rei und Plas­tik sicht­bar wer­den. Begin­nen wir ein Bild oder eine Plas­tik, wis­sen wir nicht, wohin der Weg uns führt, was sich unter­wegs ereig­net oder uns berührt. In den Bil­dern wer­den kei­ne Geschich­ten erzahlt, aber es ent­strö­men ihnen Geschich­ten. Sie sind ein Dia­log zwi­schen dem Raum, in dem wir leben und der Fas­zi­na­ti­on von Far­be und Form. Vie­le sind in län­ge­ren Zeit­räu­men ent­stan­den. Picas­so ließ die Zustan­de sei­ner Bil­der ste­hen wie sie waren. Sei­ne jewei­li­ge Gefahrtin kopier­te sie, und so ent­stan­den etli­che Bil­der vom glei­chen Motiv. Unse­re Zustän­de ver­ber­gen sich unter der obe­ren, der letz­ten Farb­schicht. Nur Zustands­pho­to­gra­phien zeu­gen davon.

Nicht die Moti­ve, die The­men machen die Kunst, son­dern wie ein Künst­ler sie mit Far­ben und For­men rea­li­siert. Was auf den ers­ten Blick vor­der­grün­dig erscheint, ver­tieft sich auf den zwei­ten. Drei­mal hin­schau­en, sag­te einst ein Kri­ti­ker zu unse­ren Arbei­ten.

Ruhm ist flüch­tig, Wert­schät­zung und Miß­ach­tung wech­seln rasch. Was bleibt, ist die Dra­ma­tik der Kunst selbst. Bil­der, die wir heu­te als Meis­ter­wer­ke anse­hen, haben zur Zeit ihrer Ent­ste­hung noch Abscheu oder Hohn her­vor­ge­ru­fen. Viel­leicht liegt der wich­tigs­te Bei­trag eines Künst­lers zur Kul­tur dar­in, daß er die Welt auf eine neue, uner­hör­te Art deu­tet und die Men­schen das Wun­dern lehrt.

Leo­nar­do da Vin­ci sag­te : Will ein Maler Schö­nes sehen,

das ihn hin­reißt, so ver­mag er es selbst zu schaf­fen. Will er

Din­ge sehen, die gro­tesk sind oder lächer­lich oder wahr­haft

mit­leid­erre­gend, so gebie­tet er als Herr auch über sie. Was

das Uni­ver­sum in Wirk­lich­keit oder in der Phan­ta­sie auch ber­ge, er hat es zuvör­derst im Kop­fe, dann in der Hand.

Mei­nen Lebens­lauf beschrän­ke ich gern auf die kur­ze For­mel : 1923 gebo­ren, malt und model­liert seit­dem. So sim­pel das auch klin­gen mag oder frech — mir scheint es eher natür­lich, denn man ist ein Maler von Anfang an oder ist es nie. Mir gal­ten der Blei­stift, die Far­be, das Schnitz­mes­ser und spä­ter, als ich 6 Jah­re alt wur­de, die Gei­ge mehr als alles ande­re.

Das Früheste,woran ich mich erin­nern kann, ist, daß ich in die kost­ba­re, schwarz­la­ckier­te Sin­ger-Näh­ma­schi­ne mei­ner Eltern mit einer Nadel Figu­ren ritz­te. Mei­ne Oma, die so schön sin­gen konn­te und Opa mit sei­nem gro­ßen, gerin­gel­ten Schnurr­bart fan­den auf ihr Platz. Auch ein “Bild­nis” von mir kratz­te ich dazu. Obwohl ich mir so viel Mühe gege­ben hat­te, ern­te­te ich kei­nen Bei­fall dafür. Statt des­sen zog mein Vater mir die Hosen stramm. Vor 4 1/2 tau­send Jah­ren ent­stand eine Selbst­dar­stel­lung — oh nein, sie stammt nicht von mir. Dies Selbst­bild­nis ist das frü­hes­te uns bekann­te. Ein Künst­ler schuf es auf einem Kalk­stein­re­li­ef in einer Grab­kam­mer nahe der Pyra­mi­den von Sak­kra. Fra­gen Sie mich bit­te nicht nach der Ähn­lich­keit. Auch Dürers Selbst­bild­nis als Chris­tus oder Rem­brandts als Offi­zier wei­sen nur gerin­ge Ähn­lich­keit mit ihrem Schöp­fer auf. Phi­di­as’ Selbst­por­trät auf dem Schild der Athe­na mag da schon ahn­li­cher gera­ten sein. Man sieht einen glatz­köp­fi­gen Mann mit gewölb­ter Stirn und gefurch­ten Zügen inmit­ten idea­li­sis­er­ter Gesich­ter der grie­chi­schen Krie­ger. Sehen Sie selbst ein­mal unter dem Aspekt eines Bild­nis­ses in einen Spie­gel oder neh­men einen Kon­vex­spie­gel zur Hand wie Par­mi­g­nia­ni­no. Sein Spiel mit ver­zerr­ten Per­spek­ti­ven führ­te manch­mal zur tota­len Unkennt­lich­keit des Dar­ge­stell­ten oder zu ana­mo­r­phen Bil­der­rät­seln, wie sie im 16. Jahr­hun­dert so beliebt waren. Mit zwei recht­wink­lig zuein­an­der­ge­stell­ten Spie­geln kön­nen Sie Ihr Spie­gel­bild gar auf den Kopf stel­len. Heu­te nennt man eine Selbst­dar­stel­lung schlicht “Selbst”. Das Selbst ist das dank­bars­te Modell. Es ist jeder­zeit bereit, sitzt still, badet sich in Licht und Schat­ten oder füllt Räu­me. Es macht Frat­zen und läßt sich ver­klei­den. Kunst­his­to­ri­ker lie­ben es, weil sich dar­über gan­ze Bücher schrei­ben las­sen. Gia­co­metti redu­zier­te sich vor dem Spie­gel auf eine Linie. Der spa­ni­sche Maler Botero bläht sich in sei­nem Selbst zu einem Mar­ken­zei­chen auf. Der Ham­bur­ger Zeich­ner Horst Jans­sen füll­te, wie er selbst schrieb, mit ihm die Zei­ten, in denen ihm nichts ein­fiel. In mei­nem Oeu­vre gibt es nur weni­ge die­ser Selbst, weil mir immer etwas ein­fällt. Dafür aber wer­den Sie in vie­len Bil­dern, auf denen ich Figu­ren male, mei­ne lan­ge Nase fin­den. So gese­hen, ist jedes Bild von mir auch ein Selbst im Bil­de. In der Zeit des groß­deut­schen Dik­ta­tors spie­gel­te sich die Klein­bür­ger­lich­keit der Macht­ha­ber in der Kunst jener Zeit. Zufäl­lig sah ich in der Aus­stel­lung der zur “Ent­ar­te­ten” erklär­ten Moder­ne die Winds­braut von Kokosch­ka und eini­ge Plas­ti­ken, die mich lan­ge beschäf­tig­ten. Das war das Ein­zi­ge, was ich von die­ser “gif­ti­gen” Kunst über­haupt ken­nen­ler­nen durf­te in jener bedrü­cken­den Zeit. Wäh­rend des Stu­di­ums auf der Aka­de­mie herrsch­te um uns her­um die abs­trak­te Kunst — mög­li­cher­wei­se als Reak­ti­on auf die 1000 Jah­re pri­mi­tivs­ten Natu­ra­lis­mus heroi­scher Prä­gung. Wer wie wir dem Gegen­ständ­li­chen, der Natur als Quel­le aller Inspi­ra­tio­nen treu blieb, ohne auch nur ent­fernt natu­ra­lis­tisch zu sein, hat­te nichts zu lachen. Beach­tung fand sich nur im ande­ren Lager. Wir schwam­men gegen den Strom, ohne zu wis­sen, ob sich das Blatt jemals wen­den wür­de. Wer hät­te damals gedacht, daß sich das wirk­lich schon zwei Jahr­zehn­te danach ereig­nen soll­te, als der berühm­te Wer­ner Haft­mann, einer unse­rer Leh­rer, noch die Welt­kunst beschwor. Der Bild­hau­er Edwin Scharff pack­te ihn damals zor­nig an der Brust und pol­ter­te: “Wir machen die Kunst, nicht Ihr!” Mei­ne Frau Eri­ka, damals auch Schü­le­rin der glei­chen Aka­de­mie, stell­te ihr Licht unter den Schef­fel und wur­de mei­ne Muse. Sie gab mir in die­ser schwie­ri­gen Zeit Mut und Kraft. Ohne sie als mei­ne schärfs­te Kri­ti­ke­rin wären alle die Bil­der und Plas­ti­ken nicht so ent­stan­den.

Der eng­li­sche Maler Gains­bo­rough ließ sich von sei­nem Die­ner einen Eichen­tisch in sein abge­dun­kel­tes Ate­lier brin­gen. Mit Sand, Stei­nen, Kork­stü­cken und Moos simu­lier­te er dar­auf sei­ne Land­schaf­ten. Brok­ko­li-Gemü­se wur­de zu Bäu­men. Er kne­te­te klei­ne Figu­ren aus Wachs, die er kunst­voll in die­se Schein­welt hin­ein­kom­po­nier­te. Dann zün­de­te er vie­le Ker­zen an, stu­dier­te die Licht- und Schat­ten­ver­hält­nis­se und mal­te wun­der­vol­le Bil­der danach.

Ein Mann ging lang­sam sei­nes Weges: Unter dem Arm trug er ein Bild. Plötz­lich hob er den Kopf und blick­te Ober die Schul­ter zurück. In die­sem Augen­blick began­nen die Kin­der, mit Stei­nen nach ihm zu wer­fen. Die­sen Bericht über die Stei­ni­gung durch die Kin­der von Aix gab uns Rai­ner Maria Ril­ke in sei­nen Brie­fen über Cezan­ne. Die­sem beschei­de­nen Mann ver­dankt die Kunst unse­res Jahr­hun­derts mehr als irgend­ei­nem ande­ren. Für ihn war ein Selbst­bild­nis nicht bedeut­sa­mer als ein Apfel oder ein Krug. Alles war nur Anlaß für sei­ne Male­rei. Renoirs Blu­men­bil­der ent­stan­den nach Papier­blu­men, weil die nicht wel­ken konn­ten, denn er mal­te lan­ge dar­an. Picas­so stu­dier­te sei­ne Model­le lan­ge, bevor er dann sei­ne Bild­nis­se ohne sie mal­te.

Anders die Welt des Pierre Bon­nard. Er unter­such­te die Bezie­hun­gen der Far­ben zuein­an­der und ihre Rol­len. Oran­ge macht bunt, Grün neu­tra­li­siert und Vio­lett schat­tet, sag­te einst Degas zu ihm. Bon­nards Töne sind uner­hört kühn. Er schaff­te eine neue Welt. Die Wol­ken wur­den rot, das Meer grün, und das Laub schim­mer­te rosa. Früch­te, selbst Gebäck und Brot wur­den zu Klein­odi­en der Male­rei. Der pro­ven­ca­li­schen Vase ent­strömt ein Hauch von saf­fran­gel­bem Licht. Er mal­te sei­ne Emp­fin­dun­gen beim Beob­ach­ten. Den ers­ten Ein­druck nie aus den Augen ver­lie­ren, sag­te er. Dann hol­te er sein Skiz­zen­heft aus der Tasche und mach­te Noti­zen.

Schöp­fe­ri­sche Arbeit läßt sich nicht in ein Kor­sett drän­gen. Kunst­händ­ler aber lie­ben es, Künst­ler wie Mar­ken­zei­chen zu han­deln. Bil­der von Ber­nard Büf­fet gleich nach dem Krie­ge, Horst Antes rumpf­lo­se Nur­kopf-Bil­der oder die heu­te so berühm­ten Nagel­bil­der von Ücker, so fas­zi­nie­rend eine ein­zel­ne Arbeit die­ser Künst­ler auch sein mag, sind sol­che dank­ba­ren Objek­te.

Anders unse­re Bil­der : Am frü­hen Mor­gen, nach einem guten Früh­stück, gehen wir wohl­ge­launt ins Ate­lier. Bringt der Brief­trä­ger eine längst fäl­li­ge Rech­nung oder hören wir im Radio, daß schon wie­der Men­schen umge­bracht, ein Flug­zeug ent­führt oder 1000 jäh­ri­ge Bäu­me gefällt wur­den, ver­düs­tert sich schon unser Him­mel. Man­ches davon fließt ein in Bil­der oder Plas­ti­ken. Wie kann ich also mor­gen so malen wie heu­te ?

So ent­steht eine eige­ne Bild­welt. Sie atmet den erre­gen­den Anlaß, das lei­den­schaft­li­che Enga­ge­ment. Wir gehö­ren kei­ner Schu­le an und sind ganz dar­auf bedacht, etwas Per­sön­li­ches zu schaf­fen. Eine Mischung aus Phan­ta­sie und Ver­stand, Begeis­te­rung und Stren­ge, Kühn­heit und Vor­sicht mit einem Sinn für das Geheim­nis­vol­le, Poe­sie und Gefühl für die Wirk­lich­keit.

Gehen Sie durch die Aus­stel­lung ohne sich ein­zu­en­gen in Scha­blo­nen vor­ge­ge­be­ner Kunst­be­trach­tung. Die­se Bil­der und Plas­ti­ken sind Schöp­fun­gen eines Ihrer Zeit­ge­nos­sen. Sie drän­gen­sich nicht auf, aber sie spre­chen eine inten­si­ve, eige­ne Spra­che. Die Moti­ve Narr und Har­le­kin, die Mas­ken und der “Car­ne­va­le dl Vene­zia” sind Meta­phern unse­rer Erschüt­te­run­gen aber auch Freu­de, die durch Male­rei und Plas­tik sicht­bar wer­den. Begin­nen wir ein Bild oder eine Plas­tik, wis­sen wir nicht, wohin der Weg uns führt, was sich unter­wegs ereig­net oder uns berührt. In den Bil­dern wer­den kei­ne Geschich­ten erzahlt, aber es ent­strö­men ihnen Geschich­ten. Sie sind ein Dia­log zwi­schen dem Raum, in dem wir leben und der Fas­zi­na­ti­on von Far­be und Form. Vie­le sind in län­ge­ren Zeit­räu­men ent­stan­den. Picas­so ließ die Zustan­de sei­ner Bil­der ste­hen wie sie waren. Sei­ne jewei­li­ge Gefahrtin kopier­te sie, und so ent­stan­den etli­che Bil­der vom glei­chen Motiv. Unse­re Zustän­de ver­ber­gen sich unter der obe­ren, der letz­ten Farb­schicht. Nur Zustands­pho­to­gra­phien zeu­gen davon.

Nicht die Moti­ve, die The­men machen die Kunst, son­dern wie ein Künst­ler sie mit Far­ben und For­men rea­li­siert. Was auf den ers­ten Blick vor­der­grün­dig erscheint, ver­tieft sich auf den zwei­ten. Drei­mal hin­schau­en, sag­te einst ein Kri­ti­ker zu unse­ren Arbei­ten.

Ruhm ist flüch­tig, Wert­schät­zung und Miß­ach­tung wech­seln rasch. Was bleibt, ist die Dra­ma­tik der Kunst selbst. Bil­der, die wir heu­te als Meis­ter­wer­ke anse­hen, haben zur Zeit ihrer Ent­ste­hung noch Abscheu oder Hohn her­vor­ge­ru­fen. Viel­leicht liegt der wich­tigs­te Bei­trag eines Künst­lers zur Kul­tur dar­in, daß er die Welt auf eine neue, uner­hör­te Art deu­tet und die Men­schen das Wun­dern lehrt.

Leo­nar­do da Vin­ci sag­te : Will ein Maler Schö­nes sehen,

das ihn hin­reißt, so ver­mag er es selbst zu schaf­fen. Will er

Din­ge sehen, die gro­tesk sind oder lächer­lich oder wahr­haft

mit­leid­erre­gend, so gebie­tet er als Herr auch über sie. Was

das Uni­ver­sum in Wirk­lich­keit oder in der Phan­ta­sie auch ber­ge, er hat es zuvör­derst im Kop­fe, dann in der Hand.