Aquarelle

aquarelle foto
a 72 pergola

Per­go­la 1972

Aqua­rell 42/56 cm

a 75 jungegriechin

Jun­ge Grie­chin 1975

Aqua­rell 42/56 cm

a 77 besuchbeipapastamatiou

Besuch bei Papas­ta­ma­tiou 1977

Aqua­rell 42/56 cm

79 goldmedaille 1

Gold­me­dail­le 1979

Aqua­rell 42/56 cm

a 84 mutterundkind

Mut­ter und Kind 1984

Aqua­rell 42/56 cm

a 91 geheimnis

Das Geheim­nis 1991

Aqua­rell 42/56 cm

a 01 ausderabgeschiedenheit

Aus der Abge­schie­den­heit 2001

Aqua­rell 42/56 cm

a 07 gespinste

Gespins­te 2007

Aqua­rell 42/56 cm

Aquarelle

Der lie­bens­wer­te Leh­rer sei­nes berühm­ten Zeich­ner-Schü­lers Jans­sen bestimmt auch heu­te noch weit­ge­hend die Arbeits­wei­se sei­ner Zög­lin­ge beim Aqua­rel­lie­ren. Frisch hin­ge­tupft, über­mu­scheln galt als klei­nes Ver­bre­chen. Vor­zeich­nung, gleich, ob mit Feder oder Tusche, kränk­ten ihn aufs Tiefs­te. Auch ich lern­te einst zu einer Zeit, als die moder­ne Kunst mit allen zu Gebo­te ste­hen­den Mit­teln aus­ge­rot­tet wer­den soll­te, die­se aka­de­mi­sche Mal­wei­se, die so über­zeu­gend auf uns wirk­te und doch auf ekla­tan­te Wei­se jeg­li­che künst­le­ri­sche Frei­heit auf ein Mini­mum beschränk­te. Ob mit oder ohne die­sen Aka­de­mis­mus Kunst ent­steht, ver­mö­gen Zeit­ge­nos­sen sel­ten zu beur­tei­len, eine Wer­tung liegt mir fern und soll nicht die Auf­ga­be die­ses klei­nen Trak­ta­tes sein. Ich habe so man­chen viel­ver­spre­chen­den Kunst­jün­ger gera­de an die­ser aka­de­mi­schen Mal­wei­se schei­tern sehen. Auch der schon erwähn­te Zeich­ner-Schü­ler von Alfred Mahl­au ist nicht frei davon. Zwang­los und ohne Gegen­wehr ent­steht hier­bei ein Vir­tuo­sen­tum, das fas­zi­nie­rend wirkt auf unse­re Zeit­ge­nos­sen der tech­ni­schen Per­fek­tio­nen.

Ganz anders mei­ne Reak­ti­on auf die sei­ner­zeit von mei­nem Leh­rer von mir gefor­der­te Unter­wer­fung. Ich lehn­te mich auf, schlu­der­te rasant, über­mal­te, wo mir die Far­be nicht reich­te, mit Krei­de oder Ölstif­ten und han­del­te mir so reich­lich Ärger ein. Ich wur­de trotz­dem gelit­ten in der klei­nen, staat­li­chen Kunst­schu­le in der Albrecht Dürer-Stra­ße, viel­leicht gera­de des­halb, weil ich ziel­stre­big schei­ter­te an den Auf­ga­ben, die die ande­ren mit Bra­vour und zuneh­men­der Vir­tuo­si­tät zur genüss­li­chen Zufrie­den­heit des Leh­rers erfüll­ten. Wie sich die­ser Kno­ten ent­wirrt hät­te, weiß ich nicht, denn es war Krieg, und nun kam die Rei­he an mich, der Kunst ade zu sagen und den Stahl­helm auf­zu­set­zen. Heim­ge­kehrt nach leid­vol­len Jah­ren, kann­te mei­ne Beses­sen­heit kei­ne Gren­zen, nun aber erkann­te ich, daß mein Weg nicht so falsch war, wie mir ein­ge­re­det wur­de, gab es doch eine gro­ße Epo­che in der eng­li­schen Male­rei, die sich in einer unglaub­lich inten­si­ven Was­ser­far­ben­ma­le­rei zu beson­de­rer Grö­ße ent­wi­ckel­te. Auch die uns bis dahin unbe­kann­ten gro­ßen Maler der Eco­le de Beaux Art und beson­ders die deut­schen Expres­sio­nis­ten, waren frei von jeg­li­chem Aka­de­mis­mus. Nicht aus­zu­den­ken, wenn mir die­se gro­ßen Aqua­rel­lis­ten in jener keim­frei­en Zeit begeg­net wären.

Um zurück­zu­kom­men auf den Aus­gangs­punkt die­ser Gedan­ken­rei­he, erscheint es mir zwangs­läu­fig rich­tig, daß ein Zeich­ner anders aqua­rel­lie­ren muß als ein Maler. Prof.Alfred Mahl­au, die­ser groß­ar­ti­ge Leh­rer, an des­sen wöchent­li­chen Kor­rek­tu­ren ich, im Hin­ter­grund blei­bend, häu­fig teil­nahm, urteil­te und ver­ur­teil­te mit Lie­be und Här­te glei­cher­ma­ßen. Auf eine Lie­bens­wür­dig­keit folg­te ham­mer­schlag­ar­tig ein tota­ler Ver­riss.

Wie anders mein eige­ner Leh­rer Wil­lem Grimm, der pol­ternd direkt den Stier bei den Hör­nern pack­te und den Schü­ler mit einem ein­zi­gen aber immer treff­si­che­ren Schlag in den Boden ramm­te. Da das Aqua­rell in mei­ner Mal­klas­se kei­ne Rol­le spiel­te und leicht­hin als unwe­sent­lich abge­tan wur­de, war ich natür­lich begie­rig, in ande­ren Klas­sen, was zu die­ser Zeit von dem jeweils eige­nen Leh­rer mit unver­hoh­le­nem Miss­be­ha­gen gese­hen wur­de, mehr zu erfah­ren. Ich wur­de aller­dings recht ent­täuscht bei mei­ner Suche und ver­ließ mich dann ganz auf mich selbst. Ich sah Mahl­au an der Elbe sit­zend, fast ängst­lich vor sei­nem Block, vor dem so schö­nen, rei­nen Papier. Mit Lie­be und Sen­si­bi­li­tät zeich­ne­te er mit der Feder die Land­schaft, die ihn so begeis­ter­te. Die danach hin­ein­ge­tupf­ten Far­ben ent­spra­chen der Zart­heit sei­nes Gemüts.

Die­se leich­ten, fast wie lasiert wir­ken­den Zeich­nun­gen spie­geln sich heu­te noch in man­chem sei­ner dama­li­gen Schü­ler, so dass man wohl mit Recht sagen kann, dass er im klei­nen Rah­men eine Schu­le begrün­det hat in die­ser ers­ten Nach­kriegs­zeit, die heu­te noch fort­wirkt. Mei­ne eige­nen Aqua­rel­le ent­wi­ckel­ten sich nun in ganz ande­rer Wei­se. Vor­aus­set­zung dafür war die Suche nach einem Aqua­rell­pa­pier, das eine vehe­men­te, fast bru­ta­le Arbeits­wei­se aus­zu­hal­ten imstan­de war. Das von den aka­de­mi­schen Aqua­rel­lis­ten bevor­zug­te sau­gen­de und mehr oder weni­ger ober­flä­chen­rau­he, wohl allen bekann­te Papier, genüg­te die­sen Anfor­de­run­gen nicht. Heu­te benut­ze ich ein fast glat­tes, stär­ker geleim­tes, das noch dann sei­ne Rein­heit durch­schim­mern läßt, wenn von Mahl­au ver­pön­te meh­re­re Schich­ten der Aqua­rell­far­be, über­ein­an­der­ge­legt, neue Farb­räu­me erschlie­ßen. Auf die­se Wei­se bewah­re ich den Grund­cha­rak­ter des Aqua­rells, die Trans­pa­renz der Far­be, set­ze sie aber in neue Span­nungs­ver­hält­nis­se durch zusätz­li­che Mate­ria­li­en.

Der Zau­ber beson­ders der eng­li­schen Aqua­rell­far­ben von Wind­sor & New­ton ver­tieft sich dadurch unge­mein. Dem Auge wird die klei­ne Sen­sa­ti­on eines Wech­sel­spiels gebo­ten, wie sie in der aka­de­mi­schen Mal­wei­se nicht vor­kommt. Ich scheue mich nicht, klei­ne mit Gra­phit hin­ein­kom­po­nier­te Inseln gegen gro­be Farb­ak­zen­te zu set­zen oder mit einer umge­dreh­ten Feder Lini­en in die feuch­te Far­be zu rit­zen. Leuch­ten­de Far­ben wech­seln mit zar­tes­ten und geben sich die Ehre, der Zei­chen­fe­der und Tusche ihre Refe­renz zu erwei­sen.

So ange­wandt, bie­tet das Aqua­rell Raum und Zeit zugleich. Räu­me aus der Span­nung von der gedeck­ten zur trans­pa­rent benutz­ten Far­be mischen sich mit der Linie oder einer zar­ten Gra­phit-Zeich­nung. Vor allem aber kann sich die Arbeit an einem sol­chen Aqua­rell über Tage erstre­cken, weil die Far­be bis zu einem gewis­sen Grad auch wie­der abge­wa­schen wer­den kann. Eines aber ist nun in der einen und in der ande­ren Tech­nik abso­lut unmög­lich: Papier, das ein­mal auch nur die gerings­te Men­ge Far­be auf­ge­nom­men hat, wird nie wie­der jung­fräu­lich, und die­se Bril­lanz lässt sich nun auch ganz und gar nicht durch etwa benutz­tes Deck­weiß erset­zen. Hat sich dies Weiß irgend­wo ein­ge­schli­chen, ist es müßig, von Aqua­rell zu spre­chen, es ist keins mehr.

Und nun ergibt sich so ganz neben­bei aber zwangs­läu­fig die Fra­ge, was da denn auf dem Papier zu sehen ist, die Fra­ge nach dem Motiv oder dem, was die meis­ten Betrach­ter eines fer­ti­gen Wer­kes „Was ist das“ nen­nen. Sind es nun auf­ge­reih­te Schif­fe auf grau­em Wie­sen­was­ser oder Bäu­me oder gar ero­ti­sche Stü­cke, so mag man durch­aus davon spre­chen kön­nen, soweit das deut­lich erkenn­ba­re Motiv allein schon das Kri­te­ri­um für die­se Arbeit ist. Arbeit, ja Arbeit steckt in jedem Fal­le dar­in. Aber die Arbeit allein macht noch kein Kunst­werk. Ein 10-jäh­ri­ges Mäd­chen sag­te, gefragt danach, was Kunst sei: „Kunst ist, was sel­ten einer kann“. Hier liegt das Pro­blem. Da pin­seln hun­dert Maler den gan­zen Tag rund um die Uhr, da sit­zen Haus­frau­en in jeder frei­en Minu­te vor ihrer Staf­fe­lei, oder Kunst­er­zie­her ver­su­chen, sich von ihrem sie ganz for­dern­den Erzie­her­me­tier zu lösen, um auch Kunst zu machen, und doch ent­steht nur in sel­te­nen Fäl­len dabei wirk­lich Kunst. Woher kommt das?

Ein Aqua­rell, und das gilt glei­cher­ma­ßen für jedes Bild, in wel­cher Tech­nik es auch gemalt sein mag, erhält sei­ne künst­le­ri­sche Potenz nicht aus dem, was auf der Flä­che zu sehen ist, son­dern: wie das gemalt wur­de. In abs­trak­ten Wer­ken ist das nun gar nicht mehr kon­trol­lier­bar, weil hier Inhalt und Form und Far­be iden­tisch sind. Ganz anders in der gegen­stands­be­zo­ge­nen Male­rei, näm­lich in der Über­set­zung ins Bild­haf­te. Oft wer­de ich in Aus­stel­lun­gen gefragt, was das denn sei? Mei­ne Ant­wort kann sich dann nur dar­in erschöp­fen, daß ich sage: „Dies ist Male­rei und nichts ande­res“. Ein Stuhl ist dann kein Stuhl mehr son­dern Male­rei. Ganz beson­ders deut­lich erkenn­bar ist das WIE in der Aqua­rell­ma­le­rei an der Hand­ha­bung des Weiß als Far­be, also als Bild­ele­ment, und zwar glei­cher­ma­ßen in der Mahlau’schen wie in mei­ner Art. Es gehört eine gestei­ger­te Dis­zi­plin dazu, das Weiß an der rich­ti­gen Stel­le so jung­fräu­lich wie mög­lich ste­hen zu las­sen, ja, ste­hen zu las­sen, denn ein feh­len­des Weiß ist nicht repa­ra­bel.

Die­ses Weiß benut­ze ich gern ab und zu, weil es, als Papier erschei­nend, unglaub­li­che Trans­pa­renz ent­fal­tet und auch den ande­ren Far­ben die­se Trans­pa­renz ver­mit­telt. Das Weiß kann sich unbe­scha­det über das gan­ze Aqua­rell erstre­cken und so zum beherr­schen­den Bild­ele­ment avan­cie­ren. Dies ist aber nicht mei­ne Art, wie ich über­haupt ver­mei­de, in Wie­der­ho­lun­gen zu ver­fal­len, wenn­gleich durch­aus zeit­lich nach­ein­an­der fol­gen­de Aqua­rel­le Ähn­lich­kei­ten auf­wei­sen kön­nen, weil Ideen eine gewis­se Zeit der Rei­fe durch­lau­fen und durch­ge­spielt wer­den kön­nen. Haben sie sich aber erschöpft, erschei­nen neue For­men und Far­ben, denn das Aqua­rell als Mate­ri­al ist schier uner­schöpf­lich, benut­ze ich dazu einen Pin­sel oder gar die Fin­ger, einen Lap­pen oder sonst etwas.

Die Far­be lässt sich stri­cheln, kann flie­ßen, über­ein­an­der­ge­legt wer­den oder auch abge­wa­schen. Die­ser Arbeits­vor­gang macht einen unglaub­li­chen Spaß im Wech­sel von Mut und Mut­lo­sig­keit. Das Bewusst­sein der Macht über Mate­ri­al und Papier bedeu­tet für mich ein Stück Frei­heit, die sich nicht erschöp­fen kann, solan­ge ich leben­dig blei­be, und ich blei­be solan­ge leben­dig, wie ich ver­mag, die­se Frei­heit zu spü­ren und zu nut­zen. Das Aqua­rell ist für mich eine Art der Erho­lung von der phy­sisch sehr viel anstren­gen­de­ren Arbeit an gro­ßen Bil­dern. Und es ist gleich­zei­tig ein Expe­ri­men­tier­feld, des­sen Ergeb­nis­se sich dar­in spie­geln. So gese­hen, sind die­se bei­den Medi­en sich gegen­sei­tig befruch­ten­de und unbe­dingt zuein­an­der gehö­ren­de, durch das gan­ze Oeu­vre lau­fen­de Aus­drucks­wei­sen. Bei­de sind allein und unab­hän­gig in mei­ner Arbeit nicht denk­bar. Trotz ande­rer Grund­vor­aus­set­zun­gen, bedingt durch die Art der Far­be und der Mal­grün­de, fin­den sich in bei­den Tech­ni­ken, dem Aqua­rell und der Ölma­le­rei, die sel­ben Spu­ren künst­le­ri­schen Han­delns. Wer die Ölbil­der begrei­fen will, muss auch die Aqua­rel­le sehen und umge­kehrt.

Der lie­bens­wer­te Leh­rer sei­nes berühm­ten Zeich­ner-Schü­lers Jans­sen bestimmt auch heu­te noch weit­ge­hend die Arbeits­wei­se sei­ner Zög­lin­ge beim Aqua­rel­lie­ren. Frisch hin­ge­tupft, über­mu­scheln galt als klei­nes Ver­bre­chen. Vor­zeich­nung, gleich, ob mit Feder oder Tusche, kränk­ten ihn aufs Tiefs­te. Auch ich lern­te einst zu einer Zeit, als die moder­ne Kunst mit allen zu Gebo­te ste­hen­den Mit­teln aus­ge­rot­tet wer­den soll­te, die­se aka­de­mi­sche Mal­wei­se, die so über­zeu­gend auf uns wirk­te und doch auf ekla­tan­te Wei­se jeg­li­che künst­le­ri­sche Frei­heit auf ein Mini­mum beschränk­te. Ob mit oder ohne die­sen Aka­de­mis­mus Kunst ent­steht, ver­mö­gen Zeit­ge­nos­sen sel­ten zu beur­tei­len, eine Wer­tung liegt mir fern und soll nicht die Auf­ga­be die­ses klei­nen Trak­ta­tes sein. Ich habe so man­chen viel­ver­spre­chen­den Kunst­jün­ger gera­de an die­ser aka­de­mi­schen Mal­wei­se schei­tern sehen. Auch der schon erwähn­te Zeich­ner-Schü­ler von Alfred Mahl­au ist nicht frei davon. Zwang­los und ohne Gegen­wehr ent­steht hier­bei ein Vir­tuo­sen­tum, das fas­zi­nie­rend wirkt auf unse­re Zeit­ge­nos­sen der tech­ni­schen Per­fek­tio­nen.

Ganz anders mei­ne Reak­ti­on auf die sei­ner­zeit von mei­nem Leh­rer von mir gefor­der­te Unter­wer­fung. Ich lehn­te mich auf, schlu­der­te rasant, über­mal­te, wo mir die Far­be nicht reich­te, mit Krei­de oder Ölstif­ten und han­del­te mir so reich­lich Ärger ein. Ich wur­de trotz­dem gelit­ten in der klei­nen, staat­li­chen Kunst­schu­le in der Albrecht Dürer-Stra­ße, viel­leicht gera­de des­halb, weil ich ziel­stre­big schei­ter­te an den Auf­ga­ben, die die ande­ren mit Bra­vour und zuneh­men­der Vir­tuo­si­tät zur genüss­li­chen Zufrie­den­heit des Leh­rers erfüll­ten. Wie sich die­ser Kno­ten ent­wirrt hät­te, weiß ich nicht, denn es war Krieg, und nun kam die Rei­he an mich, der Kunst ade zu sagen und den Stahl­helm auf­zu­set­zen. Heim­ge­kehrt nach leid­vol­len Jah­ren, kann­te mei­ne Beses­sen­heit kei­ne Gren­zen, nun aber erkann­te ich, daß mein Weg nicht so falsch war, wie mir ein­ge­re­det wur­de, gab es doch eine gro­ße Epo­che in der eng­li­schen Male­rei, die sich in einer unglaub­lich inten­si­ven Was­ser­far­ben­ma­le­rei zu beson­de­rer Grö­ße ent­wi­ckel­te. Auch die uns bis dahin unbe­kann­ten gro­ßen Maler der Eco­le de Beaux Art und beson­ders die deut­schen Expres­sio­nis­ten, waren frei von jeg­li­chem Aka­de­mis­mus. Nicht aus­zu­den­ken, wenn mir die­se gro­ßen Aqua­rel­lis­ten in jener keim­frei­en Zeit begeg­net wären.

Um zurück­zu­kom­men auf den Aus­gangs­punkt die­ser Gedan­ken­rei­he, erscheint es mir zwangs­läu­fig rich­tig, daß ein Zeich­ner anders aqua­rel­lie­ren muß als ein Maler. Prof.Alfred Mahl­au, die­ser groß­ar­ti­ge Leh­rer, an des­sen wöchent­li­chen Kor­rek­tu­ren ich, im Hin­ter­grund blei­bend, häu­fig teil­nahm, urteil­te und ver­ur­teil­te mit Lie­be und Här­te glei­cher­ma­ßen. Auf eine Lie­bens­wür­dig­keit folg­te ham­mer­schlag­ar­tig ein tota­ler Ver­riss.

Wie anders mein eige­ner Leh­rer Wil­lem Grimm, der pol­ternd direkt den Stier bei den Hör­nern pack­te und den Schü­ler mit einem ein­zi­gen aber immer treff­si­che­ren Schlag in den Boden ramm­te. Da das Aqua­rell in mei­ner Mal­klas­se kei­ne Rol­le spiel­te und leicht­hin als unwe­sent­lich abge­tan wur­de, war ich natür­lich begie­rig, in ande­ren Klas­sen, was zu die­ser Zeit von dem jeweils eige­nen Leh­rer mit unver­hoh­le­nem Miss­be­ha­gen gese­hen wur­de, mehr zu erfah­ren. Ich wur­de aller­dings recht ent­täuscht bei mei­ner Suche und ver­ließ mich dann ganz auf mich selbst. Ich sah Mahl­au an der Elbe sit­zend, fast ängst­lich vor sei­nem Block, vor dem so schö­nen, rei­nen Papier. Mit Lie­be und Sen­si­bi­li­tät zeich­ne­te er mit der Feder die Land­schaft, die ihn so begeis­ter­te. Die danach hin­ein­ge­tupf­ten Far­ben ent­spra­chen der Zart­heit sei­nes Gemüts.

Die­se leich­ten, fast wie lasiert wir­ken­den Zeich­nun­gen spie­geln sich heu­te noch in man­chem sei­ner dama­li­gen Schü­ler, so dass man wohl mit Recht sagen kann, dass er im klei­nen Rah­men eine Schu­le begrün­det hat in die­ser ers­ten Nach­kriegs­zeit, die heu­te noch fort­wirkt. Mei­ne eige­nen Aqua­rel­le ent­wi­ckel­ten sich nun in ganz ande­rer Wei­se. Vor­aus­set­zung dafür war die Suche nach einem Aqua­rell­pa­pier, das eine vehe­men­te, fast bru­ta­le Arbeits­wei­se aus­zu­hal­ten imstan­de war. Das von den aka­de­mi­schen Aqua­rel­lis­ten bevor­zug­te sau­gen­de und mehr oder weni­ger ober­flä­chen­rau­he, wohl allen bekann­te Papier, genüg­te die­sen Anfor­de­run­gen nicht. Heu­te benut­ze ich ein fast glat­tes, stär­ker geleim­tes, das noch dann sei­ne Rein­heit durch­schim­mern läßt, wenn von Mahl­au ver­pön­te meh­re­re Schich­ten der Aqua­rell­far­be, über­ein­an­der­ge­legt, neue Farb­räu­me erschlie­ßen. Auf die­se Wei­se bewah­re ich den Grund­cha­rak­ter des Aqua­rells, die Trans­pa­renz der Far­be, set­ze sie aber in neue Span­nungs­ver­hält­nis­se durch zusätz­li­che Mate­ria­li­en.

Der Zau­ber beson­ders der eng­li­schen Aqua­rell­far­ben von Wind­sor & New­ton ver­tieft sich dadurch unge­mein. Dem Auge wird die klei­ne Sen­sa­ti­on eines Wech­sel­spiels gebo­ten, wie sie in der aka­de­mi­schen Mal­wei­se nicht vor­kommt. Ich scheue mich nicht, klei­ne mit Gra­phit hin­ein­kom­po­nier­te Inseln gegen gro­be Farb­ak­zen­te zu set­zen oder mit einer umge­dreh­ten Feder Lini­en in die feuch­te Far­be zu rit­zen. Leuch­ten­de Far­ben wech­seln mit zar­tes­ten und geben sich die Ehre, der Zei­chen­fe­der und Tusche ihre Refe­renz zu erwei­sen.

So ange­wandt, bie­tet das Aqua­rell Raum und Zeit zugleich. Räu­me aus der Span­nung von der gedeck­ten zur trans­pa­rent benutz­ten Far­be mischen sich mit der Linie oder einer zar­ten Gra­phit-Zeich­nung. Vor allem aber kann sich die Arbeit an einem sol­chen Aqua­rell über Tage erstre­cken, weil die Far­be bis zu einem gewis­sen Grad auch wie­der abge­wa­schen wer­den kann. Eines aber ist nun in der einen und in der ande­ren Tech­nik abso­lut unmög­lich: Papier, das ein­mal auch nur die gerings­te Men­ge Far­be auf­ge­nom­men hat, wird nie wie­der jung­fräu­lich, und die­se Bril­lanz lässt sich nun auch ganz und gar nicht durch etwa benutz­tes Deck­weiß erset­zen. Hat sich dies Weiß irgend­wo ein­ge­schli­chen, ist es müßig, von Aqua­rell zu spre­chen, es ist keins mehr.

Und nun ergibt sich so ganz neben­bei aber zwangs­läu­fig die Fra­ge, was da denn auf dem Papier zu sehen ist, die Fra­ge nach dem Motiv oder dem, was die meis­ten Betrach­ter eines fer­ti­gen Wer­kes „Was ist das“ nen­nen. Sind es nun auf­ge­reih­te Schif­fe auf grau­em Wie­sen­was­ser oder Bäu­me oder gar ero­ti­sche Stü­cke, so mag man durch­aus davon spre­chen kön­nen, soweit das deut­lich erkenn­ba­re Motiv allein schon das Kri­te­ri­um für die­se Arbeit ist. Arbeit, ja Arbeit steckt in jedem Fal­le dar­in. Aber die Arbeit allein macht noch kein Kunst­werk. Ein 10-jäh­ri­ges Mäd­chen sag­te, gefragt danach, was Kunst sei: „Kunst ist, was sel­ten einer kann“. Hier liegt das Pro­blem. Da pin­seln hun­dert Maler den gan­zen Tag rund um die Uhr, da sit­zen Haus­frau­en in jeder frei­en Minu­te vor ihrer Staf­fe­lei, oder Kunst­er­zie­her ver­su­chen, sich von ihrem sie ganz for­dern­den Erzie­her­me­tier zu lösen, um auch Kunst zu machen, und doch ent­steht nur in sel­te­nen Fäl­len dabei wirk­lich Kunst. Woher kommt das?

Ein Aqua­rell, und das gilt glei­cher­ma­ßen für jedes Bild, in wel­cher Tech­nik es auch gemalt sein mag, erhält sei­ne künst­le­ri­sche Potenz nicht aus dem, was auf der Flä­che zu sehen ist, son­dern: wie das gemalt wur­de. In abs­trak­ten Wer­ken ist das nun gar nicht mehr kon­trol­lier­bar, weil hier Inhalt und Form und Far­be iden­tisch sind. Ganz anders in der gegen­stands­be­zo­ge­nen Male­rei, näm­lich in der Über­set­zung ins Bild­haf­te. Oft wer­de ich in Aus­stel­lun­gen gefragt, was das denn sei? Mei­ne Ant­wort kann sich dann nur dar­in erschöp­fen, daß ich sage: „Dies ist Male­rei und nichts ande­res“. Ein Stuhl ist dann kein Stuhl mehr son­dern Male­rei. Ganz beson­ders deut­lich erkenn­bar ist das WIE in der Aqua­rell­ma­le­rei an der Hand­ha­bung des Weiß als Far­be, also als Bild­ele­ment, und zwar glei­cher­ma­ßen in der Mahlau’schen wie in mei­ner Art. Es gehört eine gestei­ger­te Dis­zi­plin dazu, das Weiß an der rich­ti­gen Stel­le so jung­fräu­lich wie mög­lich ste­hen zu las­sen, ja, ste­hen zu las­sen, denn ein feh­len­des Weiß ist nicht repa­ra­bel.

Die­ses Weiß benut­ze ich gern ab und zu, weil es, als Papier erschei­nend, unglaub­li­che Trans­pa­renz ent­fal­tet und auch den ande­ren Far­ben die­se Trans­pa­renz ver­mit­telt. Das Weiß kann sich unbe­scha­det über das gan­ze Aqua­rell erstre­cken und so zum beherr­schen­den Bild­ele­ment avan­cie­ren. Dies ist aber nicht mei­ne Art, wie ich über­haupt ver­mei­de, in Wie­der­ho­lun­gen zu ver­fal­len, wenn­gleich durch­aus zeit­lich nach­ein­an­der fol­gen­de Aqua­rel­le Ähn­lich­kei­ten auf­wei­sen kön­nen, weil Ideen eine gewis­se Zeit der Rei­fe durch­lau­fen und durch­ge­spielt wer­den kön­nen. Haben sie sich aber erschöpft, erschei­nen neue For­men und Far­ben, denn das Aqua­rell als Mate­ri­al ist schier uner­schöpf­lich, benut­ze ich dazu einen Pin­sel oder gar die Fin­ger, einen Lap­pen oder sonst etwas.

Die Far­be lässt sich stri­cheln, kann flie­ßen, über­ein­an­der­ge­legt wer­den oder auch abge­wa­schen. Die­ser Arbeits­vor­gang macht einen unglaub­li­chen Spaß im Wech­sel von Mut und Mut­lo­sig­keit. Das Bewusst­sein der Macht über Mate­ri­al und Papier bedeu­tet für mich ein Stück Frei­heit, die sich nicht erschöp­fen kann, solan­ge ich leben­dig blei­be, und ich blei­be solan­ge leben­dig, wie ich ver­mag, die­se Frei­heit zu spü­ren und zu nut­zen. Das Aqua­rell ist für mich eine Art der Erho­lung von der phy­sisch sehr viel anstren­gen­de­ren Arbeit an gro­ßen Bil­dern. Und es ist gleich­zei­tig ein Expe­ri­men­tier­feld, des­sen Ergeb­nis­se sich dar­in spie­geln. So gese­hen, sind die­se bei­den Medi­en sich gegen­sei­tig befruch­ten­de und unbe­dingt zuein­an­der gehö­ren­de, durch das gan­ze Oeu­vre lau­fen­de Aus­drucks­wei­sen. Bei­de sind allein und unab­hän­gig in mei­ner Arbeit nicht denk­bar. Trotz ande­rer Grund­vor­aus­set­zun­gen, bedingt durch die Art der Far­be und der Mal­grün­de, fin­den sich in bei­den Tech­ni­ken, dem Aqua­rell und der Ölma­le­rei, die sel­ben Spu­ren künst­le­ri­schen Han­delns. Wer die Ölbil­der begrei­fen will, muss auch die Aqua­rel­le sehen und umge­kehrt.