59 kirchgang 70 100

Kirch­gang 1959

Oel / Leinw. 70/120 cm

bblauesportrait

Blau­es Por­trait 1952

Oel / Leinw. 85/50 cm

madonna

Madon­na 1959

Oel / Lein­wand 100/87 cm

63 derhandstand 164 120

Der Hand­stand 1963

Tem­pe­ra / Lein­wand 164/120 cm

13 1

J’accuse 1964

Tem­pe­ra / Lein­wand 130/195 cm

Frau mit Mops

Frau mit Mops 1969

Mischt. / Leinw. 145/130 cm

nonestorkus

Non est orkus

hoellensturz

Höl­len­sturz 1966/75

Mischt. / Leinw. 200/250 cm

79 rousseau

Mon­sieur Rous­se­au 1979

Mischt. / Leinw. 53/60 cm

89 blauer salon 65 89

Blau­er Salon 1989

Oel/Leinwand 65/89 cm

89 unerwartetzubesuch

Uner­war­tet zu Besuch

1995 verzweiflungundhoffnung1

Ver­zweif­lung und Hoff­nung 1995

Mischt. / Leinw. 150/130 cm

1997 allein

Allein 1997

Mischt. / Leinw. 150/130 cm

besuchinweimar

Besuch in Wei­mar 1999

Mischt. / Leinw 120/110 cm

langeschon

Län­ger schon

Abseits der Modelinien

Neue Gemälde von Hanno Edelmann in Hamburg

Schon das ist im gegen­wär­ti­gen modi­schen Leer­lauf des Aus­stel­lungs­be­trie­bes ein Qua­li­täts­kri­te­ri­um: die­se Aus­stel­lung fes­selt, sie erregt. Der Kon­takt zwi­schen Bild und Betrach­ter stellt sich unmit­tel­bar her. Die­se Bil­der, man spürt es sofort und kann es dann auch doku­men­tie­ren, sind gesam­mel­te Ener­gie, sie haben, was modi­sche Nor­mal­bil­der trotz wil­des­ter Inter­pre­ta­ti­ons­ver­su­che ein­fach nicht haben kön­nen: ein Kraft­feld, das sie umgibt. Ein mensch­li­ches Kraft­feld, in dem sich der weit­hin feh­len­de Pro­zeß zwi­schen Bild und Betrach­ter her­stellt. Der Pro­zeß von Wir­kung und Reak­ti­on.

Allein die­se Tat­sa­che bedeu­tet viel: der Strom­kreis zwi­schen Bild und Betrach­ter schließt sich; Bezü­ge, Ver­hält­nis­se erge­ben sich. Die Iso­la­ti­on zum „Bild an sich“ ist auf­ge­ho­ben — das ist der ent­schei­den­de Schritt: die­se neu­en Bil­der von Han­no Edel­mann sind inten­si­ve, fühl­bar ehr­li­che Arbeit an der Wirk­lich­keit, und genau damit errei­chen sie dann auch zwangs­läu­fig den voll­kom­men künst­le­ri­schen Bezirk der Wirk­sam­keit. Das hat nichts zu tun mit der ent­we­der abwer­tend oder gut gemein­ten For­mel „Zurück zum Gegen­stand“ — der Gegen­stand allein besagt noch gar nichts. Und das hat wei­ter­hin nichts (jeden­falls nicht allein) zu tun mit der rein for­ma­len Art der Umset­zung des Gegen­stan­des zum Bild.

Son­dern mit der Ver­wirk­li­chung im Bild. Mit dem Prin­zip des Enga­ge­ments — Enga­ge­ment im wei­tes­ten Sin­ne. Hier und nur hier beginnt heu­te Avant­gar­de — ganz und gar nicht dort, wo zur Zeit die­ser Begriff offi­zi­ös pos­tu­liert und annek­tiert wird: bei der eben­so zahl­rei­chen wie künst­le­risch küm­mer­li­chen ästhe­ti­zis­ti­schen Nach­hut, die selbst im ver­bis­sens­ten for­ma­len Expe­ri­ment nur noch ganz auf der Außen­haut der künst­le­ri­schen Vor­bil­der vari­iert oder sich selbst pla­gi­iert.

Voll­kom­men abseits die­ser Mode­li­ni­en arbei­tet Han­no Edel­mann, der sich seit eini­ger Zeit von sei­ner zur ästhe­ti­schen Per­fek­ti­on ent­wi­ckel­ten, äußerst deko­ra­ti­ven Bild­welt lös­te und mit unge­wöhn­li­cher künst­le­ri­scher Ernst­haf­tig­keit zu Bil­dern von kom­pri­mier­ter Rea­li­tät und geis­tig beherrsch­ter Expres­si­vi­tät vor­stieß. Dass er dabei gleich­zei­tig eine unge­heu­re male­ri­sche Qua­li­tät erreicht, dass er die ver­blüf­fend brei­te und eben­so sub­ti­le Ska­la sei­ner bild­ne­ri­schen Mit­tel nie­mals ver­selb­stän­digt, dass sich die­se mensch­li­chen Rea­li­tä­ten der Bild­welts Han­no Edel­manns in sei­nen künst­le­ri­schen Mit­teln im Bild ver­wirk­li­chen — das macht Edel­mann ganz ohne Zwei­fel zu einem der wirk­lich wich­ti­gen deut­schen Maler der Gegen­wart. Und zwar — man muss die Pro­phe­tie hier wagen — zu einem der kom­men­den Maler (Edel­mann ist jetzt genau 38 Jah­re alt). Was die Arbeit Edel­manns cha­rak­te­ri­siert, ist zwei­er­lei:

Die stän­di­ge Neu­ori­en­tie­rung sei­ner künst­le­ri­schen Mit­tel, vom The­ma, von der Sache aus­ge­hend. Er zwängt also nicht den ledig­lich zum Vor­wand genom­me­nen Gegen­stand in modi­sche Scha­blo­nen, er tut das Gegen­teil: er mani­fes­tiert sei­ne Inhal­te (er hat sie!) im Bild, die­ser Pro­zeß pro­vo­ziert die künst­le­ri­schen Mit­tel. Es gibt in sei­nen neu­en Bil­dern, in den bes­ten jeden­falls, kei­ner­lei iso­lier­te for­ma­le Eitel­kei­ten und Zuta­ten, schon gar kei­ne Tricks und Mätz­chen.

Und zwei­tens: Edel­mann arbei­tet am Men­schen­bild. Das unter­schei­det ihn von der will­kür­li­chen, geis­tig sinn­lo­sen und nur for­mal begrün­de­ten Defor­ma­ti­on (die längst zu gän­gi­gen Kli­schees und aus­führ­ba­ren Rezep­ten führ­te) eben­so wie von einem gewalt­sa­men, ver­äu­ßer­lich­ten „Wie­der­in­stand­set­zen“ des zer­bors­te­nen Men­schen­bil­des. Er arbei­tet ehr­lich und schwer dar­an — beklem­men­de Figu­ren gelin­gen ihm: die schmerz­li­che Prä­zi­si­on der „Frau und Blu­men­va­se“; die kno­chi­ge, kars­ti­ge Kör­per­lich­keit des „Sit­zen­den Mäd­chens“, die gestreck­ten Halb­fi­gu­ren sei­ner Frau­en, in denen er

die ver­dräng­ten Bedro­hun­gen, die über­spiel­ten Zer­stö­run­gen, die ver­pupp­ten Ein­sam­kei­ten sicht­bar gemacht hat. Edel­manns Abs­trak­ti­on bedeu­tet Durch­sto­ßen zu geis­ti­gen Wirk­lich­kei­ten, und dann: Kon­zen­tra­ti­on statt Auf­lö­sung. Genau die­ser Pro­zeß ist fast nach­zu­voll­zie­hen in eini­gen Por­träts (etwa dem Por­trät Dr. G.), bei denen die atem­be­rau­ben­de Prä­zi­si­on des Bild­bau­es, der Ver­zah­nung von Figur und Kopf mit dem Bild­grund ganz von innen her ent­wi­ckelt ist und über die Ver­schmel­zung mit dem (in sich erhal­te­nen) Indi­vi­du­el­len zum stell­ver­tre­ten­den Bild wird.

Eine Gefahr könn­te es geben für die­sen Maler: daß er irgend­wann, wenn sein huma­nes Enga­ge­ment sich nicht fort­schrei­tend fes­tigt und prä­zi­siert, in einen (wie bei Büf­fet) ledig­lich deko­ra­ti­ven Mise­ra­bi­lis­mus abrutscht.

Auf jeden Fall ist die­se Aus­stel­lung (Ham­burg, Völ­ker­kun­de­mu­se­um) eine der wich­tigs­ten und bemer­kens­wer­tes­ten des Jah­res, alt

Abseits der Mode­li­ni­en

Neue Bil­der von Han­no Edel­mann in Ham­burg

Schon das ist im gegen­wär­ti­gen modi­schen Leer­lauf des Aus­stel­lungs­be­trie­bes ein Qua­li­täts­kri­te­ri­um: die­se Aus­stel­lung fes­selt, sie erregt. Der Kon­takt zwi­schen Bild und Betrach­ter stellt sich unmit­tel­bar her. Die­se Bil­der, man spürt es sofort und kann es dann auch doku­men­tie­ren, sind gesam­mel­te Ener­gie, sie haben, was modi­sche Nor­mal­bil­der trotz wil­des­ter Inter­pre­ta­ti­ons­ver­su­che ein­fach nicht haben kön­nen: ein Kraft­feld, das sie umgibt. Ein mensch­li­ches Kraft­feld, in dem sich der weit­hin feh­len­de Pro­zeß zwi­schen Bild und Betrach­ter her­stellt. Der Pro­zeß von Wir­kung und Reak­ti­on.

Allein die­se Tat­sa­che bedeu­tet viel: der Strom­kreis zwi­schen Bild und Betrach­ter schließt sich; Bezü­ge, Ver­hält­nis­se erge­ben sich. Die Iso­la­ti­on zum „Bild an sich“ ist auf­ge­ho­ben — das ist der ent­schei­den­de Schritt: die­se neu­en Bil­der von Han­no Edel­mann sind inten­si­ve, fühl­bar ehr­li­che Arbeit an der Wirk­lich­keit, und genau damit errei­chen sie dann auch zwangs­läu­fig den voll­kom­men künst­le­ri­schen Bezirk der Wirk­sam­keit. Das hat nichts zu tun mit der ent­we­der abwer­tend oder gut gemein­ten For­mel „Zurück zum Gegen­stand“ — der Gegen­stand allein besagt noch gar nichts. Und das hat wei­ter­hin nichts (jeden­falls nicht allein) zu tun mit der rein for­ma­len Art der Umset­zung des Gegen­stan­des zum Bild.

Son­dern mit der Ver­wirk­li­chung im Bild. Mit dem Prin­zip des Enga­ge­ments — Enga­ge­ment im wei­tes­ten Sin­ne. Hier und nur hier beginnt heu­te Avant­gar­de — ganz und gar nicht dort, wo zur Zeit die­ser Begriff offi­zi­ös pos­tu­liert und annek­tiert wird: bei der eben­so zahl­rei­chen wie künst­le­risch küm­mer­li­chen ästhe­ti­zis­ti­schen Nach­hut, die selbst im ver­bis­sens­ten for­ma­len Expe­ri­ment nur noch ganz auf der Außen­haut der künst­le­ri­schen Vor­bil­der vari­iert oder sich selbst pla­gi­iert.

Voll­kom­men abseits die­ser Mode­li­ni­en arbei­tet Han­no Edel­mann, der sich seit eini­ger Zeit von sei­ner zur ästhe­ti­schen Per­fek­ti­on ent­wi­ckel­ten, äußerst deko­ra­ti­ven Bild­welt lös­te und mit unge­wöhn­li­cher künst­le­ri­scher Ernst­haf­tig­keit zu Bil­dern von kom­pri­mier­ter Rea­li­tät und geis­tig beherrsch­ter Expres­si­vi­tät vor­stieß. Dass er dabei gleich­zei­tig eine unge­heu­re male­ri­sche Qua­li­tät erreicht, dass er die ver­blüf­fend brei­te und eben­so sub­ti­le Ska­la sei­ner bild­ne­ri­schen Mit­tel nie­mals ver­selb­stän­digt, dass sich die­se mensch­li­chen Rea­li­tä­ten der Bild­welts Han­no Edel­manns in sei­nen künst­le­ri­schen Mit­teln im Bild ver­wirk­li­chen — das macht Edel­mann ganz ohne Zwei­fel zu einem der wirk­lich wich­ti­gen deut­schen Maler der Gegen­wart. Und zwar — man muss die Pro­phe­tie hier wagen — zu einem der kom­men­den Maler (Edel­mann ist jetzt genau 38 Jah­re alt). Was die Arbeit Edel­manns cha­rak­te­ri­siert, ist zwei­er­lei:

Die stän­di­ge Neu­ori­en­tie­rung sei­ner künst­le­ri­schen Mit­tel, vom The­ma, von der Sache aus­ge­hend. Er zwängt also nicht den ledig­lich zum Vor­wand genom­me­nen Gegen­stand in modi­sche Scha­blo­nen, er tut das Gegen­teil: er mani­fes­tiert sei­ne Inhal­te (er hat sie!) im Bild, die­ser Pro­zeß pro­vo­ziert die künst­le­ri­schen Mit­tel. Es gibt in sei­nen neu­en Bil­dern, in den bes­ten jeden­falls, kei­ner­lei iso­lier­te for­ma­le Eitel­kei­ten und Zuta­ten, schon gar kei­ne Tricks und Mätz­chen.

Und zwei­tens: Edel­mann arbei­tet am Men­schen­bild. Das unter­schei­det ihn von der will­kür­li­chen, geis­tig sinn­lo­sen und nur for­mal begrün­de­ten Defor­ma­ti­on (die längst zu gän­gi­gen Kli­schees und aus­führ­ba­ren Rezep­ten führ­te) eben­so wie von einem gewalt­sa­men, ver­äu­ßer­lich­ten „Wie­der­in­stand­set­zen“ des zer­bors­te­nen Men­schen­bil­des. Er arbei­tet ehr­lich und schwer dar­an — beklem­men­de Figu­ren gelin­gen ihm: die schmerz­li­che Prä­zi­si­on der „Frau und Blu­men­va­se“; die kno­chi­ge, kars­ti­ge Kör­per­lich­keit des „Sit­zen­den Mäd­chens“, die gestreck­ten Halb­fi­gu­ren sei­ner Frau­en, in denen er

die ver­dräng­ten Bedro­hun­gen, die über­spiel­ten Zer­stö­run­gen, die ver­pupp­ten Ein­sam­kei­ten sicht­bar gemacht hat. Edel­manns Abs­trak­ti­on bedeu­tet Durch­sto­ßen zu geis­ti­gen Wirk­lich­kei­ten, und dann: Kon­zen­tra­ti­on statt Auf­lö­sung. Genau die­ser Pro­zeß ist fast nach­zu­voll­zie­hen in eini­gen Por­träts (etwa dem Por­trät Dr. G.), bei denen die atem­be­rau­ben­de Prä­zi­si­on des Bild­bau­es, der Ver­zah­nung von Figur und Kopf mit dem Bild­grund ganz von innen her ent­wi­ckelt ist und über die Ver­schmel­zung mit dem (in sich erhal­te­nen) Indi­vi­du­el­len zum stell­ver­tre­ten­den Bild wird.

Eine Gefahr könn­te es geben für die­sen Maler: daß er irgend­wann, wenn sein huma­nes Enga­ge­ment sich nicht fort­schrei­tend fes­tigt und prä­zi­siert, in einen (wie bei Büf­fet) ledig­lich deko­ra­ti­ven Mise­ra­bi­lis­mus abrutscht.

Auf jeden Fall ist die­se Aus­stel­lung (Ham­burg, Völ­ker­kun­de­mu­se­um) eine der wich­tigs­ten und bemer­kens­wer­tes­ten des Jah­res, alt

Zu den im letz­ten Jahr ent­stan­de­nen groß­for­ma­ti­gen Gemäl­den von Han­no Edel­mann gehört ein Ölbild mit dem Titel “Selbst mit Wie­ner Künst­lern”, das den Maler in einer ima­gi­nä­ren Run­de mit vier berühm­ten Kol­le­gen in sur­rea­ler Sym­bo­lik dar­stellt. Ernst Fuchs hält eine Bre­ker-Pigur ein­fühl­sam in der Hand, Alfred Hrdli­cka ist in einer sei­ner block­haf­ten Skulp­tu­ren von unheim­li­cher Expres­si­vi­tät ver­schränkt, der sanf­te Arik Brau­er prä­sen­tiert in Salo­me-Ges­tus einen Tel­ler mit dem Kopf von Joseph Beuys, und Frie­dens­reich Kun­dert­was­ser geigt lie­be­voll mit einem Vio­lin­bo­gen, ohne daß ein Instru­ment sicht­bar ist, wobei lich­tes Grün aus sei­nem geheim­nis­vol­len Tun her­vor­sprießt…
Die anspie­lungs­rei­che Selbst­dar­stel­lung spie­gelt Edel­manns geis­tes­ver­wand­te Sym­pa­thie für sol­che Künst­ler, die unbe­irr­bar ihren eige­nen Weg gehen, ihr Werk unab­hän­gig von den herr­schen­den Trends ent­fal­ten und sich nicht in eine bestimm­te Rich­tung ein­ord­nen las­sen. Künst­ler, die sich nicht allein auf for­ma­le Pro­ble­me der Far­be und Kom­po­si­ti­on beschrän­ken, son­dern in ihren tie­f­lo­ten­den Wer­ken eine in die Berei­che des Huma­nen und Kos­mi­schen hin­aus­wei­sen­de Bot­schaft an ihre Mit­men­schen zu ver­mit­teln ver­su­chen„

Eine Bot­schaft jedoch, die nicht als welt­an­schau­li­ches Ali­bi für schlech­te Male­rei dient — wie das heu­te so häu­fig der Fall ist -, son­dern sich ganz und gar in bild­ne­ri­schen For­men von star­ker Ein­dring­lich­keit und Aus­sa­ge­kraft mani­fes­tiert.
Bei aller Ver­schie­den­heit von den genann­ten Wie­nern, die er
meis­tens gar nicht per­sön­lich kennt, gehört auch der Ham­bur­ger Han­no Edel­mann zu den immer sel­te­ne­ren Künst­lern, die ihren Weg unbe­irrt durch ver­meint­lich aktu­el­le Strö­mun­gen ver­fol­gen, allein ihrem bild­ne­ri­schen Impuls und inne­ren Auf­trag ver­pflich­tet. Als vor 25 Jah­ren aller­orts Tachis­mus und Psy­cho­gra­fie, action pain­ting und art infor­mel die maß­geb­li­che Kunst­sze­ne beherrsch­ten, ließ sich Edel­mann nicht von sei­ner betont figu­ra­ti­ven Gestal­tung ablen­ken, die das “Dra­ma Mensch” zum The­ma hat­te, den Men­schen und sei­ne Umwelt den Men­schen und sein Fatum, den Men­schen und die ihm imma­nen­ten Abgrün­de in Bil­dern und Zeich­nun­gen viel­schich­tig ver­an­schau­lich­te. Wie ich schon in mei­nen bei­den frü­he­ren Anspra­chen zu Edel­mann-Aus­stel­lun­gen in Bie­le­feld 1961 und in Ham­burg 1972 sowie auch in mei­nen Kri­ti­ken in der WELT seit 1955 beton­te, blie­ben den­noch stets die für den Künst­ler ent­schei­den­den Pro­ble­me der for­ma­len Realisierung’seiner Bild­ge­dan­ken nie­mals außer Acht. Im Gegen­teil: in Edel­manns durch die The­men Mensch und Land­schaft gepräg­ten Wer­ken sind Aus­druck und Aus­ge­wo­gen­heit, Expres­si­on und Pein­ture eine ganz per­sön­li­che Sym­bio­se ein­ge­gan­gen, in denen sich male­ri­sche und gra­fi­sche Ele­men­te sei­ner Stu­di­en­zeit bei Wil­lem Grimm mit den eige­nen, in der Kunst, im Leben und im medi­ter­ra­nen Raum gewon­ne­nen Erfah­run­gen paa­ren. Bevor ich zu den hier aus­ge­stell­ten Arbei­ten spre­che, die Edel­manns Schaf­fen zum ers­ten Mal seit drei­zehn Jah­ren in sei­ner Vater­stadt zei­gen, noch ein paar Wor­te zu dem Wer­de­gang und Ent­wick­lungs­weg des Künst­lers. Han­no Edel­mann stammt aus einer Fami­lie, in der es eine Reiht bekann­ter Musi­ker gab. Schon im Alter von sechs Jah­ren erhielt er den ers­ten Vio­lin-Unter­richt, fast gleich­zei­tig begann er mit Begeis­te­rung zu zeich­nen und zu model­lie­ren.
Wie Paul Klee schwank­te er lan­ge Zeit zwi­schen Musik und Malerei,ehe er sich — nach eige­nen Anga­ben bereits mit elf
Jah­ren — für den Maler­be­ruf ent­schied, nicht ohne häus­li­che Wider­stän­de zu über­win­den. Zu einem ent­schei­den­den Ereig­nis für sei­ne Auf­fas­sun­gen vom Leben in unse­rer Welt wur­de für ihn der Zwei­te Welt­krieg, den er als Sol­dat von 1941 bis 1944-in Frank­reich und Ruß­land mit­mach­te und anschlie­ßend von 1944- bis 1948 als Kriegs­ge­fan­ge­ner in Sibi­ri­en auf bit­te­re Wei­se erleb­te. In Ruß­land ent­ging Edel­mann dem Tode durch Erschie­ßen nur um Haa­res­brei­te. In den har­ten Jah­ren der Gefan­gen­schaft begann er unter schwie­rigs­ten Umstän­den wie­der bild­ne­risch zu arbei­ten. Damals begann ein Weg, wie er mir in einer Skiz­ze sei­nes Lebens ein­mal schrieb, der teils grau­sam war in der Erkennt­nis der eige­nen Ohn­mäch­tig­keit, teils außer­or­dent­lich glück­lich in der Bewußt­wer­dung star­ker geis­ti­ger Kräf­te. Auch viel spä­ter, als er nach sei­ner Rück­kehr aus rus­si­scher Gefan­gen­schaft von 1948 bis 1952 an der Ham­bur­ger Kunst­hoch­schu­le am Ler­chen­feld bei Wil­lem Grimm stu­dier­te, waren sei­ne Stu­di­en­jah­re noch lan­ge Zeit über­schat­tet von den furcht­ba­ren Kriegs­er­leb­nis­sen. Im gefahr­lo­sen Leben in der Hei­mat fand sich der Künst­ler zunächst kaum zurecht. Erst ganz all­mäh­lich gelang­te er zu inne­rer Aus­ge­wo­gen­heit und eige­ner For­men­spra­che. Nicht zuletzt wur­de die Begeg­nung mit sei­ner Frau Eri­ka, die selbst Male­rei stu­diert hat­te, dabei zu einem wesent­li­chen Fak­tor. Bei­de bil­den bis heu­te — mehr als drei­ßig Jah­re lang — auch in künst­le­ri­scher Hin­sicht ein glück­li­ches Team… Was sei­ne Male­rei und Gra­fik anbe­trifft, so wur­zelt Han­no Edel­mann auf der einen Sei­te in den kan­ti­gen For­men des holz­schnitt­haf­ten deut­schen Expres­sio­nis­mus, auf der ande­ren Sei­te in einer höchst dif­fe­ren­zier­ten Pein­ture, die ihm einst durch Wil­lem Grimm ver­mit­telt wur­de und die er dann eigen­stän­dig wei­ter­ent­wi­ckel­te. Sei­ne Dar­stel­lungs­wei­se umspannt einen wei­ten Spiel­raum von ent­lar­ven­den zeit­kri­ti­schen Sze­nen bis zu male­ri­schen Schil­de­run­gen einer aus­ge­wo­ge­nen Welt der Span­nung und Har­mo­nie, der er auf vie­len Rei­sen zunächst in Grie­chen­land und spä­ter in Ita­li­en begeg­ne­te und die ihm beson­ders auf Kre­ta und in Vene­dig wesent­li­che Anre­gun­gen gab. Doch nicht nur the­ma­tisch ist Edel­manns Schaf­fen weit­ge­spannt. Auch in tech­ni­scher Hin­sicht auf­aßt es ganz ver­schie­de­ne Bild­gat­tun­gen: Gemäl­de, Aqua­rel­le, Radie­run­gen, Holz­schnit­te, Farb­li­thos und schließ­li­eh auch Plas­ti­ken in Gips und Bron­ze.
Den Schwer­punkt der hier aus­ge­stell­ten Wer­ke bil­den die groß­for­ma­ti­gen Gemäl­de aus den letz­ten Jah­ren, in denen Edel­mann einen neu­en Höhe­punkt sei­nes bis­he­ri­gen Schaf­fens erreicht. Sie sind von viel­schich­ti­gen iko­no­gra­fi­schen Bild­ge­dan­ken vol­ler Hin­ter­grün­dig­keit und Sym­bo­lik erfüllt. Jedes die­ser Bil­der hat eine lan­ge Ent­ste­hungs- und Ent­wick­lungs­ge­schich­te, die sich dem Betrach­ter nur in gedul­di­gem Ein­füh­lungs­ver­mö­gen zu erschlie­ßen ver­mag. Doch auch schon auf den ers­ten Blick bie­ten sie ihm man­cher­lei fes­seln­de Aspek­te, die aus der imma­nen­ten Magie der Figu­ren und Din­ge und ihrer male­risch nuan­cier­ten Kom­po­si­ti­on resul­tiert.
Neben zeit­kri­ti­schen Wer­ken wie zum Bei­spiel “Gesell­schafts spie­le” oder “II Papa” fin­den sich rein male­ri­sche Hul­di­gun­gen an die Schön­heit und Har­mo­nie wie der “Traum von Vene­dig” oder “Les Demoi­sel­les”, zwei jun­ge Frau­en auf dem Sof: mit einem Flair von Modi­glia­ni. Eine in “letz­ter Zeit ent­wi­ckel­te neue Gat­tung im Schaf­fen von Edel­mann bil­den sei­ne Künst­ler­bild­nis­se, in denen er nicht nur die Betref­fen­den selbst dar­stellt, son­dern auch sei­ne eige­nen Emp­fin­dun­gen zu deren Werk und Per­sön­lich­keit. Das Gemäl­de mit dem Titel “Die Welt des Pro­fes­sors G.“zeigt den heu­te acht­zig­jäh­ri­gen Leh­rer Wil­lem Grimm mit den bezeich­nen­den Attri­bu­ten eines jun­gen Modells, eines eng­li­schen Por­zel­lan­hun­des und einer Rum­mel­pott­sze­ne. Auch Paul Wun­der­lich und Peter Bla­ke hat Edel­mann tref­fend und anspie­lungs­reich geschil­dert, denen einen in sei­ner pophaf­ten Pin-up- und But­ton­welt, den ande­re mit den Attri­bu­ten Mäd­chen­akt, Rose, Bull­ter­ri­er, Foto­lin­se, und Zet­tel­kas­ten mit den Quel­len sei­nes spe­zi­fi­schen Manie­ris­mus. Die eige­ne Lebens­welt von Edel­mann fin­det in die­ser Aus­wahl — neben dem bereits genann­ten Selbst­bild­nis mit Wie­ner Künst­lern — in Gemäl­den wie “Ganz in Blau” oder “Gro­ßes Ate­lier­bild” ihren viel­schich­ti­gen Aus­druck, auf denen sei­ne Frau, sein Hund, “Zet­tels Traum” von Arno Schmidt — eine Lieb­lings­lek­tü­re des Ehe­paa­res — sowie ein Vene­dig­bild auf der Staf­fe­lei und ein Pier­rot hin­ter dem Vor­hang auf­tau­chen. Obwohl Edel­manns Bil­der auch man­cher­lei lite­ra­ri­sche Anspie-lun­gen ent­hal­ten, sind sie nie­mals lithera­risch im enge­ren Sin­ne. Stets geht es dem Künst­ler in ers­ter Linie um die bild neri­sche Rea­li­sie­rung sei­ner Bild­ge­dan­ken, der sich die jewei­li­gen Anläs­se unter­zu­ord­nen haben.
Obwohl Edel­mann Vor­wie­gend ein Figu­ren­ma­ler ist, der sich am stärks­ten im Ölbild und in der Gra­fik mani­fes­tiert, hat er auch ganz ver­schie­den­ar­ti­ge Land­schaf­ten und Stil­le­ben geschaf­fen, die in die­ser Aus­stel­lung beson­ders im Medi­um des Aqua­rells ver­tre­ten sind. In sei­ner Druck­gra­fik ver­eint der Künst­ler Alt­meis­ter­li­ches mit Expres­si­vem, Moti­ve aus dem
Alten Tes­ta­ment mit sur­rea­len Visio­nen oder Impres­sio­nen aus Vene­dig. “Wie Sie sich viel­leicht erin­nern, stan­den wir frü­her stark unter dem Ein­druck unse­res Grie­chen­land-Erleb­nis­ses”, schrieb mir Edel­mann am 16.April die­ses Jah­res in sei­ner gro­ßen kal­li­gra­fi­schen Hand­schrift auf Zei­chen­bö­gen. “Seit 1979 erleb­ten wir nun aber Ita­li­en. Wir sind weit umher­ge­kom­men in die­sem Land, vor dem wir uns frü­hen scheu­ten. Beson­ders Vene­dig, die ers­te ita­lie­ni­sche Stadt, die wir ken­nen­lern­ten, wur­de für uns sehr wich­tig. Am Ende unse­rer letz­ten Rei­se nach Grie­chen­land waren wir total ent­täuscht von der Ver­än­de­rung, die der Tou­ris­mus dort bewirkt hat­te, kauf­ten uns kurz ent­schlos­sen ein ita­lie­ni­sches Sprach­buch und lern­ten auf die­se Wei­se die ers­ten Sät­ze, um uns wenigs­tens ver­ständ­lich machen zu kön­nen. Und dann kam Vene­dig: eine Offen­ba­rung. Was wir in Grie­chen­land nir­gends erleb­ten, über­ström­te uns nun. Hier gal­ten Kunst und Künst­ler etwas. Bis Paler­mo wur­de uns immer wie­der Inter­es­se und Freund­schaft ent­ge­gen­ge­tra­gen. Es konn­te nicht ausbleiben,daß sich unter
die­sem neu­en star­ken Ein­druck auch die Arbei­ten ver­än­der­ten. Die vor­her schwe­ren Far­ben und For­men wichen einer hel­le­ren Palet­te und mensch­li­che­ren Figu­ren. Plas­ti­ken ent­ste­hen, wenn eine Idee nicht so gut durch Male­rei rea­li­siert wer­den kann, aber bei­de For­men kön­nen gegen­sei­ti­ge Anre­gung bedeu­ten…“
Im Jah­re 1983 hat Edel­mann vor­wie­gend Plas­ti­ken geschaf­fen. Auch in sei­nen Plas­ti­ken, die mit male­ri­schem Emp­fin­den model­liert sind, kommt sei­ne moti­vi­sche Viel­schich­tig­keit und Hin­ter­grün­dig­keit zum Ausdruck.Auch in ihnen fin­den sich meta-mor­pho­sen­rei­che Anspie­lun­gen aus den Berei­chen des Mythos, der Legen­de, der Dich­tung und der Kunst­ge­schich­te. “Adam und Eva”, “Phi­le­mon und Bau­cis”, der “Gestürz­te Ikarus”,“Franciscus und der Aus­sät­zi­ge”, “Der gro­ße Man­tel” — eine zeit­ge­nös­si­sche Vari­an­te der Schutz­man­tel­ma­don­na -, aber auch drei­di­men­sio­na­le Bild­nis­se von Rodin und Camil­le Clau­del, von Beuys, Wun­der­lich und Horst Jans­sen bil­den dafür fes­seln­de Bei­spie­le, auf die ich abschlie­ßend hin­wei­sen möch­te.
Vor zwei Jah­ren schrieb Han­no Edel­mann anläß­lich einer gro­ßen Aus­stel­lung sei­nes Schaf­fens in Düs­sel­dorf — in Ham­burg waren sei­ne Arbei­ten seit 1972 nicht mehr öffent­lich zu sehen!-; die fol­gen­den Wor­te, die für ihn, sein Wesen und sein Werk bezeich­nend sind und mit denen ich mei­ne Ein­füh­rung been­den will:
“Frü­he Träu­me erfül­len sich, das Alter redu­ziert Erwar­tun­gen, ver­tieft die Selbst­kri­tik. Ein­sam­keit mit dem gelieb­ten Men­schen ist wich­ti­ger als öffent­li­cher Ruhm. Freun­de erset­zen ein Volk, das Kunst nicht braucht, sie nicht schätzt, als über­flüs­sig emp­fin­det. Beschei­den­heit ist Reich­tum. Die Kunst ist abso­lut.”

Prof.Dr.Hans Theo­dor FLem­ming, 8.Mai 1985

 

 

Prof.Dr.Hans Theo­dor FLem­ming, 8.Mai 1985

Zu den im letz­ten Jahr ent­stan­de­nen groß­for­ma­ti­gen Gemäl­den von Han­no Edel­mann gehört ein Ölbild mit dem Titel “Selbst mit Wie­ner Künst­lern”, das den Maler in einer ima­gi­nä­ren Run­de mit vier berühm­ten Kol­le­gen in sur­rea­ler Sym­bo­lik dar­stellt. Ernst Fuchs hält eine Bre­ker-Pigur ein­fühl­sam in der Hand, Alfred Hrdli­cka ist in einer sei­ner block­haf­ten Skulp­tu­ren von unheim­li­cher Expres­si­vi­tät ver­schränkt, der sanf­te Arik Brau­er prä­sen­tiert in Salo­me-Ges­tus einen Tel­ler mit dem Kopf von Joseph Beuys, und Frie­dens­reich Kun­dert­was­ser geigt lie­be­voll mit einem Vio­lin­bo­gen, ohne daß ein Instru­ment sicht­bar ist, wobei lich­tes Grün aus sei­nem geheim­nis­vol­len Tun her­vor­sprießt…
Die anspie­lungs­rei­che Selbst­dar­stel­lung spie­gelt Edel­manns geis­tes­ver­wand­te Sym­pa­thie für sol­che Künst­ler, die unbe­irr­bar ihren eige­nen Weg gehen, ihr Werk unab­hän­gig von den herr­schen­den Trends ent­fal­ten und sich nicht in eine bestimm­te Rich­tung ein­ord­nen las­sen. Künst­ler, die sich nicht allein auf for­ma­le Pro­ble­me der Far­be und Kom­po­si­ti­on beschrän­ken, son­dern in ihren tie­f­lo­ten­den Wer­ken eine in die Berei­che des Huma­nen und Kos­mi­schen hin­aus­wei­sen­de Bot­schaft an ihre Mit­men­schen zu ver­mit­teln ver­su­chen„

Eine Bot­schaft jedoch, die nicht als welt­an­schau­li­ches Ali­bi für schlech­te Male­rei dient — wie das heu­te so häu­fig der Fall ist -, son­dern sich ganz und gar in bild­ne­ri­schen For­men von star­ker Ein­dring­lich­keit und Aus­sa­ge­kraft mani­fes­tiert.
Bei aller Ver­schie­den­heit von den genann­ten Wie­nern, die er
meis­tens gar nicht per­sön­lich kennt, gehört auch der Ham­bur­ger Han­no Edel­mann zu den immer sel­te­ne­ren Künst­lern, die ihren Weg unbe­irrt durch ver­meint­lich aktu­el­le Strö­mun­gen ver­fol­gen, allein ihrem bild­ne­ri­schen Impuls und inne­ren Auf­trag ver­pflich­tet. Als vor 25 Jah­ren aller­orts Tachis­mus und Psy­cho­gra­fie, action pain­ting und art infor­mel die maß­geb­li­che Kunst­sze­ne beherrsch­ten, ließ sich Edel­mann nicht von sei­ner betont figu­ra­ti­ven Gestal­tung ablen­ken, die das “Dra­ma Mensch” zum The­ma hat­te, den Men­schen und sei­ne Umwelt den Men­schen und sein Fatum, den Men­schen und die ihm imma­nen­ten Abgrün­de in Bil­dern und Zeich­nun­gen viel­schich­tig ver­an­schau­lich­te. Wie ich schon in mei­nen bei­den frü­he­ren Anspra­chen zu Edel­mann-Aus­stel­lun­gen in Bie­le­feld 1961 und in Ham­burg 1972 sowie auch in mei­nen Kri­ti­ken in der WELT seit 1955 beton­te, blie­ben den­noch stets die für den Künst­ler ent­schei­den­den Pro­ble­me der for­ma­len Realisierung’seiner Bild­ge­dan­ken nie­mals außer Acht. Im Gegen­teil: in Edel­manns durch die The­men Mensch und Land­schaft gepräg­ten Wer­ken sind Aus­druck und Aus­ge­wo­gen­heit, Expres­si­on und Pein­ture eine ganz per­sön­li­che Sym­bio­se ein­ge­gan­gen, in denen sich male­ri­sche und gra­fi­sche Ele­men­te sei­ner Stu­di­en­zeit bei Wil­lem Grimm mit den eige­nen, in der Kunst, im Leben und im medi­ter­ra­nen Raum gewon­ne­nen Erfah­run­gen paa­ren. Bevor ich zu den hier aus­ge­stell­ten Arbei­ten spre­che, die Edel­manns Schaf­fen zum ers­ten Mal seit drei­zehn Jah­ren in sei­ner Vater­stadt zei­gen, noch ein paar Wor­te zu dem Wer­de­gang und Ent­wick­lungs­weg des Künst­lers. Han­no Edel­mann stammt aus einer Fami­lie, in der es eine Reiht bekann­ter Musi­ker gab. Schon im Alter von sechs Jah­ren erhielt er den ers­ten Vio­lin-Unter­richt, fast gleich­zei­tig begann er mit Begeis­te­rung zu zeich­nen und zu model­lie­ren.
Wie Paul Klee schwank­te er lan­ge Zeit zwi­schen Musik und Malerei,ehe er sich — nach eige­nen Anga­ben bereits mit elf
Jah­ren — für den Maler­be­ruf ent­schied, nicht ohne häus­li­che Wider­stän­de zu über­win­den. Zu einem ent­schei­den­den Ereig­nis für sei­ne Auf­fas­sun­gen vom Leben in unse­rer Welt wur­de für ihn der Zwei­te Welt­krieg, den er als Sol­dat von 1941 bis 1944-in Frank­reich und Ruß­land mit­mach­te und anschlie­ßend von 1944- bis 1948 als Kriegs­ge­fan­ge­ner in Sibi­ri­en auf bit­te­re Wei­se erleb­te. In Ruß­land ent­ging Edel­mann dem Tode durch Erschie­ßen nur um Haa­res­brei­te. In den har­ten Jah­ren der Gefan­gen­schaft begann er unter schwie­rigs­ten Umstän­den wie­der bild­ne­risch zu arbei­ten. Damals begann ein Weg, wie er mir in einer Skiz­ze sei­nes Lebens ein­mal schrieb, der teils grau­sam war in der Erkennt­nis der eige­nen Ohn­mäch­tig­keit, teils außer­or­dent­lich glück­lich in der Bewußt­wer­dung star­ker geis­ti­ger Kräf­te. Auch viel spä­ter, als er nach sei­ner Rück­kehr aus rus­si­scher Gefan­gen­schaft von 1948 bis 1952 an der Ham­bur­ger Kunst­hoch­schu­le am Ler­chen­feld bei Wil­lem Grimm stu­dier­te, waren sei­ne Stu­di­en­jah­re noch lan­ge Zeit über­schat­tet von den furcht­ba­ren Kriegs­er­leb­nis­sen. Im gefahr­lo­sen Leben in der Hei­mat fand sich der Künst­ler zunächst kaum zurecht. Erst ganz all­mäh­lich gelang­te er zu inne­rer Aus­ge­wo­gen­heit und eige­ner For­men­spra­che. Nicht zuletzt wur­de die Begeg­nung mit sei­ner Frau Eri­ka, die selbst Male­rei stu­diert hat­te, dabei zu einem wesent­li­chen Fak­tor. Bei­de bil­den bis heu­te — mehr als drei­ßig Jah­re lang — auch in künst­le­ri­scher Hin­sicht ein glück­li­ches Team… Was sei­ne Male­rei und Gra­fik anbe­trifft, so wur­zelt Han­no Edel­mann auf der einen Sei­te in den kan­ti­gen For­men des holz­schnitt­haf­ten deut­schen Expres­sio­nis­mus, auf der ande­ren Sei­te in einer höchst dif­fe­ren­zier­ten Pein­ture, die ihm einst durch Wil­lem Grimm ver­mit­telt wur­de und die er dann eigen­stän­dig wei­ter­ent­wi­ckel­te. Sei­ne Dar­stel­lungs­wei­se umspannt einen wei­ten Spiel­raum von ent­lar­ven­den zeit­kri­ti­schen Sze­nen bis zu male­ri­schen Schil­de­run­gen einer aus­ge­wo­ge­nen Welt der Span­nung und Har­mo­nie, der er auf vie­len Rei­sen zunächst in Grie­chen­land und spä­ter in Ita­li­en begeg­ne­te und die ihm beson­ders auf Kre­ta und in Vene­dig wesent­li­che Anre­gun­gen gab. Doch nicht nur the­ma­tisch ist Edel­manns Schaf­fen weit­ge­spannt. Auch in tech­ni­scher Hin­sicht auf­aßt es ganz ver­schie­de­ne Bild­gat­tun­gen: Gemäl­de, Aqua­rel­le, Radie­run­gen, Holz­schnit­te, Farb­li­thos und schließ­li­eh auch Plas­ti­ken in Gips und Bron­ze.
Den Schwer­punkt der hier aus­ge­stell­ten Wer­ke bil­den die groß­for­ma­ti­gen Gemäl­de aus den letz­ten Jah­ren, in denen Edel­mann einen neu­en Höhe­punkt sei­nes bis­he­ri­gen Schaf­fens erreicht. Sie sind von viel­schich­ti­gen iko­no­gra­fi­schen Bild­ge­dan­ken vol­ler Hin­ter­grün­dig­keit und Sym­bo­lik erfüllt. Jedes die­ser Bil­der hat eine lan­ge Ent­ste­hungs- und Ent­wick­lungs­ge­schich­te, die sich dem Betrach­ter nur in gedul­di­gem Ein­füh­lungs­ver­mö­gen zu erschlie­ßen ver­mag. Doch auch schon auf den ers­ten Blick bie­ten sie ihm man­cher­lei fes­seln­de Aspek­te, die aus der imma­nen­ten Magie der Figu­ren und Din­ge und ihrer male­risch nuan­cier­ten Kom­po­si­ti­on resul­tiert.
Neben zeit­kri­ti­schen Wer­ken wie zum Bei­spiel “Gesell­schafts spie­le” oder “II Papa” fin­den sich rein male­ri­sche Hul­di­gun­gen an die Schön­heit und Har­mo­nie wie der “Traum von Vene­dig” oder “Les Demoi­sel­les”, zwei jun­ge Frau­en auf dem Sof: mit einem Flair von Modi­glia­ni. Eine in “letz­ter Zeit ent­wi­ckel­te neue Gat­tung im Schaf­fen von Edel­mann bil­den sei­ne Künst­ler­bild­nis­se, in denen er nicht nur die Betref­fen­den selbst dar­stellt, son­dern auch sei­ne eige­nen Emp­fin­dun­gen zu deren Werk und Per­sön­lich­keit. Das Gemäl­de mit dem Titel “Die Welt des Pro­fes­sors G.“zeigt den heu­te acht­zig­jäh­ri­gen Leh­rer Wil­lem Grimm mit den bezeich­nen­den Attri­bu­ten eines jun­gen Modells, eines eng­li­schen Por­zel­lan­hun­des und einer Rum­mel­pott­sze­ne. Auch Paul Wun­der­lich und Peter Bla­ke hat Edel­mann tref­fend und anspie­lungs­reich geschil­dert, denen einen in sei­ner pophaf­ten Pin-up- und But­ton­welt, den ande­re mit den Attri­bu­ten Mäd­chen­akt, Rose, Bull­ter­ri­er, Foto­lin­se, und Zet­tel­kas­ten mit den Quel­len sei­nes spe­zi­fi­schen Manie­ris­mus. Die eige­ne Lebens­welt von Edel­mann fin­det in die­ser Aus­wahl — neben dem bereits genann­ten Selbst­bild­nis mit Wie­ner Künst­lern — in Gemäl­den wie “Ganz in Blau” oder “Gro­ßes Ate­lier­bild” ihren viel­schich­ti­gen Aus­druck, auf denen sei­ne Frau, sein Hund, “Zet­tels Traum” von Arno Schmidt — eine Lieb­lings­lek­tü­re des Ehe­paa­res — sowie ein Vene­dig­bild auf der Staf­fe­lei und ein Pier­rot hin­ter dem Vor­hang auf­tau­chen. Obwohl Edel­manns Bil­der auch man­cher­lei lite­ra­ri­sche Anspie-lun­gen ent­hal­ten, sind sie nie­mals lithera­risch im enge­ren Sin­ne. Stets geht es dem Künst­ler in ers­ter Linie um die bild neri­sche Rea­li­sie­rung sei­ner Bild­ge­dan­ken, der sich die jewei­li­gen Anläs­se unter­zu­ord­nen haben.
Obwohl Edel­mann Vor­wie­gend ein Figu­ren­ma­ler ist, der sich am stärks­ten im Ölbild und in der Gra­fik mani­fes­tiert, hat er auch ganz ver­schie­den­ar­ti­ge Land­schaf­ten und Stil­le­ben geschaf­fen, die in die­ser Aus­stel­lung beson­ders im Medi­um des Aqua­rells ver­tre­ten sind. In sei­ner Druck­gra­fik ver­eint der Künst­ler Alt­meis­ter­li­ches mit Expres­si­vem, Moti­ve aus dem
Alten Tes­ta­ment mit sur­rea­len Visio­nen oder Impres­sio­nen aus Vene­dig. “Wie Sie sich viel­leicht erin­nern, stan­den wir frü­her stark unter dem Ein­druck unse­res Grie­chen­land-Erleb­nis­ses”, schrieb mir Edel­mann am 16.April die­ses Jah­res in sei­ner gro­ßen kal­li­gra­fi­schen Hand­schrift auf Zei­chen­bö­gen. “Seit 1979 erleb­ten wir nun aber Ita­li­en. Wir sind weit umher­ge­kom­men in die­sem Land, vor dem wir uns frü­hen scheu­ten. Beson­ders Vene­dig, die ers­te ita­lie­ni­sche Stadt, die wir ken­nen­lern­ten, wur­de für uns sehr wich­tig. Am Ende unse­rer letz­ten Rei­se nach Grie­chen­land waren wir total ent­täuscht von der Ver­än­de­rung, die der Tou­ris­mus dort bewirkt hat­te, kauf­ten uns kurz ent­schlos­sen ein ita­lie­ni­sches Sprach­buch und lern­ten auf die­se Wei­se die ers­ten Sät­ze, um uns wenigs­tens ver­ständ­lich machen zu kön­nen. Und dann kam Vene­dig: eine Offen­ba­rung. Was wir in Grie­chen­land nir­gends erleb­ten, über­ström­te uns nun. Hier gal­ten Kunst und Künst­ler etwas. Bis Paler­mo wur­de uns immer wie­der Inter­es­se und Freund­schaft ent­ge­gen­ge­tra­gen. Es konn­te nicht ausbleiben,daß sich unter
die­sem neu­en star­ken Ein­druck auch die Arbei­ten ver­än­der­ten. Die vor­her schwe­ren Far­ben und For­men wichen einer hel­le­ren Palet­te und mensch­li­che­ren Figu­ren. Plas­ti­ken ent­ste­hen, wenn eine Idee nicht so gut durch Male­rei rea­li­siert wer­den kann, aber bei­de For­men kön­nen gegen­sei­ti­ge Anre­gung bedeu­ten…“
Im Jah­re 1983 hat Edel­mann vor­wie­gend Plas­ti­ken geschaf­fen. Auch in sei­nen Plas­ti­ken, die mit male­ri­schem Emp­fin­den model­liert sind, kommt sei­ne moti­vi­sche Viel­schich­tig­keit und Hin­ter­grün­dig­keit zum Ausdruck.Auch in ihnen fin­den sich meta-mor­pho­sen­rei­che Anspie­lun­gen aus den Berei­chen des Mythos, der Legen­de, der Dich­tung und der Kunst­ge­schich­te. “Adam und Eva”, “Phi­le­mon und Bau­cis”, der “Gestürz­te Ikarus”,“Franciscus und der Aus­sät­zi­ge”, “Der gro­ße Man­tel” — eine zeit­ge­nös­si­sche Vari­an­te der Schutz­man­tel­ma­don­na -, aber auch drei­di­men­sio­na­le Bild­nis­se von Rodin und Camil­le Clau­del, von Beuys, Wun­der­lich und Horst Jans­sen bil­den dafür fes­seln­de Bei­spie­le, auf die ich abschlie­ßend hin­wei­sen möch­te.
Vor zwei Jah­ren schrieb Han­no Edel­mann anläß­lich einer gro­ßen Aus­stel­lung sei­nes Schaf­fens in Düs­sel­dorf — in Ham­burg waren sei­ne Arbei­ten seit 1972 nicht mehr öffent­lich zu sehen!-; die fol­gen­den Wor­te, die für ihn, sein Wesen und sein Werk bezeich­nend sind und mit denen ich mei­ne Ein­füh­rung been­den will:
“Frü­he Träu­me erfül­len sich, das Alter redu­ziert Erwar­tun­gen, ver­tieft die Selbst­kri­tik. Ein­sam­keit mit dem gelieb­ten Men­schen ist wich­ti­ger als öffent­li­cher Ruhm. Freun­de erset­zen ein Volk, das Kunst nicht braucht, sie nicht schätzt, als über­flüs­sig emp­fin­det. Beschei­den­heit ist Reich­tum. Die Kunst ist abso­lut.”