Kirchgang 1959
Oel / Leinw. 70/120 cm
Blaues Portrait 1952
Oel / Leinw. 85/50 cm
Madonna 1959
Oel / Leinwand 100/87 cm
Der Handstand 1963
Tempera / Leinwand 164/120 cm
J’accuse 1964
Tempera / Leinwand 130/195 cm
Frau mit Mops 1969
Mischt. / Leinw. 145/130 cm
Non est orkus
Höllensturz 1966/75
Mischt. / Leinw. 200/250 cm
Monsieur Rousseau 1979
Mischt. / Leinw. 53/60 cm
Blauer Salon 1989
Oel/Leinwand 65/89 cm
Unerwartet zu Besuch
Verzweiflung und Hoffnung 1995
Mischt. / Leinw. 150/130 cm
Allein 1997
Mischt. / Leinw. 150/130 cm
Besuch in Weimar 1999
Mischt. / Leinw 120/110 cm
Länger schon
Abseits der Modelinien
Neue Gemälde von Hanno Edelmann in Hamburg
Schon das ist im gegenwärtigen modischen Leerlauf des Ausstellungsbetriebes ein Qualitätskriterium: diese Ausstellung fesselt, sie erregt. Der Kontakt zwischen Bild und Betrachter stellt sich unmittelbar her. Diese Bilder, man spürt es sofort und kann es dann auch dokumentieren, sind gesammelte Energie, sie haben, was modische Normalbilder trotz wildester Interpretationsversuche einfach nicht haben können: ein Kraftfeld, das sie umgibt. Ein menschliches Kraftfeld, in dem sich der weithin fehlende Prozeß zwischen Bild und Betrachter herstellt. Der Prozeß von Wirkung und Reaktion.
Allein diese Tatsache bedeutet viel: der Stromkreis zwischen Bild und Betrachter schließt sich; Bezüge, Verhältnisse ergeben sich. Die Isolation zum „Bild an sich“ ist aufgehoben — das ist der entscheidende Schritt: diese neuen Bilder von Hanno Edelmann sind intensive, fühlbar ehrliche Arbeit an der Wirklichkeit, und genau damit erreichen sie dann auch zwangsläufig den vollkommen künstlerischen Bezirk der Wirksamkeit. Das hat nichts zu tun mit der entweder abwertend oder gut gemeinten Formel „Zurück zum Gegenstand“ — der Gegenstand allein besagt noch gar nichts. Und das hat weiterhin nichts (jedenfalls nicht allein) zu tun mit der rein formalen Art der Umsetzung des Gegenstandes zum Bild.
Sondern mit der Verwirklichung im Bild. Mit dem Prinzip des Engagements — Engagement im weitesten Sinne. Hier und nur hier beginnt heute Avantgarde — ganz und gar nicht dort, wo zur Zeit dieser Begriff offiziös postuliert und annektiert wird: bei der ebenso zahlreichen wie künstlerisch kümmerlichen ästhetizistischen Nachhut, die selbst im verbissensten formalen Experiment nur noch ganz auf der Außenhaut der künstlerischen Vorbilder variiert oder sich selbst plagiiert.
Vollkommen abseits dieser Modelinien arbeitet Hanno Edelmann, der sich seit einiger Zeit von seiner zur ästhetischen Perfektion entwickelten, äußerst dekorativen Bildwelt löste und mit ungewöhnlicher künstlerischer Ernsthaftigkeit zu Bildern von komprimierter Realität und geistig beherrschter Expressivität vorstieß. Dass er dabei gleichzeitig eine ungeheure malerische Qualität erreicht, dass er die verblüffend breite und ebenso subtile Skala seiner bildnerischen Mittel niemals verselbständigt, dass sich diese menschlichen Realitäten der Bildwelts Hanno Edelmanns in seinen künstlerischen Mitteln im Bild verwirklichen — das macht Edelmann ganz ohne Zweifel zu einem der wirklich wichtigen deutschen Maler der Gegenwart. Und zwar — man muss die Prophetie hier wagen — zu einem der kommenden Maler (Edelmann ist jetzt genau 38 Jahre alt). Was die Arbeit Edelmanns charakterisiert, ist zweierlei:
Die ständige Neuorientierung seiner künstlerischen Mittel, vom Thema, von der Sache ausgehend. Er zwängt also nicht den lediglich zum Vorwand genommenen Gegenstand in modische Schablonen, er tut das Gegenteil: er manifestiert seine Inhalte (er hat sie!) im Bild, dieser Prozeß provoziert die künstlerischen Mittel. Es gibt in seinen neuen Bildern, in den besten jedenfalls, keinerlei isolierte formale Eitelkeiten und Zutaten, schon gar keine Tricks und Mätzchen.
Und zweitens: Edelmann arbeitet am Menschenbild. Das unterscheidet ihn von der willkürlichen, geistig sinnlosen und nur formal begründeten Deformation (die längst zu gängigen Klischees und ausführbaren Rezepten führte) ebenso wie von einem gewaltsamen, veräußerlichten „Wiederinstandsetzen“ des zerborstenen Menschenbildes. Er arbeitet ehrlich und schwer daran — beklemmende Figuren gelingen ihm: die schmerzliche Präzision der „Frau und Blumenvase“; die knochige, karstige Körperlichkeit des „Sitzenden Mädchens“, die gestreckten Halbfiguren seiner Frauen, in denen er
die verdrängten Bedrohungen, die überspielten Zerstörungen, die verpuppten Einsamkeiten sichtbar gemacht hat. Edelmanns Abstraktion bedeutet Durchstoßen zu geistigen Wirklichkeiten, und dann: Konzentration statt Auflösung. Genau dieser Prozeß ist fast nachzuvollziehen in einigen Porträts (etwa dem Porträt Dr. G.), bei denen die atemberaubende Präzision des Bildbaues, der Verzahnung von Figur und Kopf mit dem Bildgrund ganz von innen her entwickelt ist und über die Verschmelzung mit dem (in sich erhaltenen) Individuellen zum stellvertretenden Bild wird.
Eine Gefahr könnte es geben für diesen Maler: daß er irgendwann, wenn sein humanes Engagement sich nicht fortschreitend festigt und präzisiert, in einen (wie bei Büffet) lediglich dekorativen Miserabilismus abrutscht.
Auf jeden Fall ist diese Ausstellung (Hamburg, Völkerkundemuseum) eine der wichtigsten und bemerkenswertesten des Jahres, alt
Abseits der Modelinien
Neue Bilder von Hanno Edelmann in Hamburg
Schon das ist im gegenwärtigen modischen Leerlauf des Ausstellungsbetriebes ein Qualitätskriterium: diese Ausstellung fesselt, sie erregt. Der Kontakt zwischen Bild und Betrachter stellt sich unmittelbar her. Diese Bilder, man spürt es sofort und kann es dann auch dokumentieren, sind gesammelte Energie, sie haben, was modische Normalbilder trotz wildester Interpretationsversuche einfach nicht haben können: ein Kraftfeld, das sie umgibt. Ein menschliches Kraftfeld, in dem sich der weithin fehlende Prozeß zwischen Bild und Betrachter herstellt. Der Prozeß von Wirkung und Reaktion.
Allein diese Tatsache bedeutet viel: der Stromkreis zwischen Bild und Betrachter schließt sich; Bezüge, Verhältnisse ergeben sich. Die Isolation zum „Bild an sich“ ist aufgehoben — das ist der entscheidende Schritt: diese neuen Bilder von Hanno Edelmann sind intensive, fühlbar ehrliche Arbeit an der Wirklichkeit, und genau damit erreichen sie dann auch zwangsläufig den vollkommen künstlerischen Bezirk der Wirksamkeit. Das hat nichts zu tun mit der entweder abwertend oder gut gemeinten Formel „Zurück zum Gegenstand“ — der Gegenstand allein besagt noch gar nichts. Und das hat weiterhin nichts (jedenfalls nicht allein) zu tun mit der rein formalen Art der Umsetzung des Gegenstandes zum Bild.
Sondern mit der Verwirklichung im Bild. Mit dem Prinzip des Engagements — Engagement im weitesten Sinne. Hier und nur hier beginnt heute Avantgarde — ganz und gar nicht dort, wo zur Zeit dieser Begriff offiziös postuliert und annektiert wird: bei der ebenso zahlreichen wie künstlerisch kümmerlichen ästhetizistischen Nachhut, die selbst im verbissensten formalen Experiment nur noch ganz auf der Außenhaut der künstlerischen Vorbilder variiert oder sich selbst plagiiert.
Vollkommen abseits dieser Modelinien arbeitet Hanno Edelmann, der sich seit einiger Zeit von seiner zur ästhetischen Perfektion entwickelten, äußerst dekorativen Bildwelt löste und mit ungewöhnlicher künstlerischer Ernsthaftigkeit zu Bildern von komprimierter Realität und geistig beherrschter Expressivität vorstieß. Dass er dabei gleichzeitig eine ungeheure malerische Qualität erreicht, dass er die verblüffend breite und ebenso subtile Skala seiner bildnerischen Mittel niemals verselbständigt, dass sich diese menschlichen Realitäten der Bildwelts Hanno Edelmanns in seinen künstlerischen Mitteln im Bild verwirklichen — das macht Edelmann ganz ohne Zweifel zu einem der wirklich wichtigen deutschen Maler der Gegenwart. Und zwar — man muss die Prophetie hier wagen — zu einem der kommenden Maler (Edelmann ist jetzt genau 38 Jahre alt). Was die Arbeit Edelmanns charakterisiert, ist zweierlei:
Die ständige Neuorientierung seiner künstlerischen Mittel, vom Thema, von der Sache ausgehend. Er zwängt also nicht den lediglich zum Vorwand genommenen Gegenstand in modische Schablonen, er tut das Gegenteil: er manifestiert seine Inhalte (er hat sie!) im Bild, dieser Prozeß provoziert die künstlerischen Mittel. Es gibt in seinen neuen Bildern, in den besten jedenfalls, keinerlei isolierte formale Eitelkeiten und Zutaten, schon gar keine Tricks und Mätzchen.
Und zweitens: Edelmann arbeitet am Menschenbild. Das unterscheidet ihn von der willkürlichen, geistig sinnlosen und nur formal begründeten Deformation (die längst zu gängigen Klischees und ausführbaren Rezepten führte) ebenso wie von einem gewaltsamen, veräußerlichten „Wiederinstandsetzen“ des zerborstenen Menschenbildes. Er arbeitet ehrlich und schwer daran — beklemmende Figuren gelingen ihm: die schmerzliche Präzision der „Frau und Blumenvase“; die knochige, karstige Körperlichkeit des „Sitzenden Mädchens“, die gestreckten Halbfiguren seiner Frauen, in denen er
die verdrängten Bedrohungen, die überspielten Zerstörungen, die verpuppten Einsamkeiten sichtbar gemacht hat. Edelmanns Abstraktion bedeutet Durchstoßen zu geistigen Wirklichkeiten, und dann: Konzentration statt Auflösung. Genau dieser Prozeß ist fast nachzuvollziehen in einigen Porträts (etwa dem Porträt Dr. G.), bei denen die atemberaubende Präzision des Bildbaues, der Verzahnung von Figur und Kopf mit dem Bildgrund ganz von innen her entwickelt ist und über die Verschmelzung mit dem (in sich erhaltenen) Individuellen zum stellvertretenden Bild wird.
Eine Gefahr könnte es geben für diesen Maler: daß er irgendwann, wenn sein humanes Engagement sich nicht fortschreitend festigt und präzisiert, in einen (wie bei Büffet) lediglich dekorativen Miserabilismus abrutscht.
Auf jeden Fall ist diese Ausstellung (Hamburg, Völkerkundemuseum) eine der wichtigsten und bemerkenswertesten des Jahres, alt
Zu den im letzten Jahr entstandenen großformatigen Gemälden von Hanno Edelmann gehört ein Ölbild mit dem Titel “Selbst mit Wiener Künstlern”, das den Maler in einer imaginären Runde mit vier berühmten Kollegen in surrealer Symbolik darstellt. Ernst Fuchs hält eine Breker-Pigur einfühlsam in der Hand, Alfred Hrdlicka ist in einer seiner blockhaften Skulpturen von unheimlicher Expressivität verschränkt, der sanfte Arik Brauer präsentiert in Salome-Gestus einen Teller mit dem Kopf von Joseph Beuys, und Friedensreich Kundertwasser geigt liebevoll mit einem Violinbogen, ohne daß ein Instrument sichtbar ist, wobei lichtes Grün aus seinem geheimnisvollen Tun hervorsprießt…
Die anspielungsreiche Selbstdarstellung spiegelt Edelmanns geistesverwandte Sympathie für solche Künstler, die unbeirrbar ihren eigenen Weg gehen, ihr Werk unabhängig von den herrschenden Trends entfalten und sich nicht in eine bestimmte Richtung einordnen lassen. Künstler, die sich nicht allein auf formale Probleme der Farbe und Komposition beschränken, sondern in ihren tieflotenden Werken eine in die Bereiche des Humanen und Kosmischen hinausweisende Botschaft an ihre Mitmenschen zu vermitteln versuchen„
Eine Botschaft jedoch, die nicht als weltanschauliches Alibi für schlechte Malerei dient — wie das heute so häufig der Fall ist -, sondern sich ganz und gar in bildnerischen Formen von starker Eindringlichkeit und Aussagekraft manifestiert.
Bei aller Verschiedenheit von den genannten Wienern, die er
meistens gar nicht persönlich kennt, gehört auch der Hamburger Hanno Edelmann zu den immer selteneren Künstlern, die ihren Weg unbeirrt durch vermeintlich aktuelle Strömungen verfolgen, allein ihrem bildnerischen Impuls und inneren Auftrag verpflichtet. Als vor 25 Jahren allerorts Tachismus und Psychografie, action painting und art informel die maßgebliche Kunstszene beherrschten, ließ sich Edelmann nicht von seiner betont figurativen Gestaltung ablenken, die das “Drama Mensch” zum Thema hatte, den Menschen und seine Umwelt den Menschen und sein Fatum, den Menschen und die ihm immanenten Abgründe in Bildern und Zeichnungen vielschichtig veranschaulichte. Wie ich schon in meinen beiden früheren Ansprachen zu Edelmann-Ausstellungen in Bielefeld 1961 und in Hamburg 1972 sowie auch in meinen Kritiken in der WELT seit 1955 betonte, blieben dennoch stets die für den Künstler entscheidenden Probleme der formalen Realisierung’seiner Bildgedanken niemals außer Acht. Im Gegenteil: in Edelmanns durch die Themen Mensch und Landschaft geprägten Werken sind Ausdruck und Ausgewogenheit, Expression und Peinture eine ganz persönliche Symbiose eingegangen, in denen sich malerische und grafische Elemente seiner Studienzeit bei Willem Grimm mit den eigenen, in der Kunst, im Leben und im mediterranen Raum gewonnenen Erfahrungen paaren. Bevor ich zu den hier ausgestellten Arbeiten spreche, die Edelmanns Schaffen zum ersten Mal seit dreizehn Jahren in seiner Vaterstadt zeigen, noch ein paar Worte zu dem Werdegang und Entwicklungsweg des Künstlers. Hanno Edelmann stammt aus einer Familie, in der es eine Reiht bekannter Musiker gab. Schon im Alter von sechs Jahren erhielt er den ersten Violin-Unterricht, fast gleichzeitig begann er mit Begeisterung zu zeichnen und zu modellieren.
Wie Paul Klee schwankte er lange Zeit zwischen Musik und Malerei,ehe er sich — nach eigenen Angaben bereits mit elf
Jahren — für den Malerberuf entschied, nicht ohne häusliche Widerstände zu überwinden. Zu einem entscheidenden Ereignis für seine Auffassungen vom Leben in unserer Welt wurde für ihn der Zweite Weltkrieg, den er als Soldat von 1941 bis 1944-in Frankreich und Rußland mitmachte und anschließend von 1944- bis 1948 als Kriegsgefangener in Sibirien auf bittere Weise erlebte. In Rußland entging Edelmann dem Tode durch Erschießen nur um Haaresbreite. In den harten Jahren der Gefangenschaft begann er unter schwierigsten Umständen wieder bildnerisch zu arbeiten. Damals begann ein Weg, wie er mir in einer Skizze seines Lebens einmal schrieb, der teils grausam war in der Erkenntnis der eigenen Ohnmächtigkeit, teils außerordentlich glücklich in der Bewußtwerdung starker geistiger Kräfte. Auch viel später, als er nach seiner Rückkehr aus russischer Gefangenschaft von 1948 bis 1952 an der Hamburger Kunsthochschule am Lerchenfeld bei Willem Grimm studierte, waren seine Studienjahre noch lange Zeit überschattet von den furchtbaren Kriegserlebnissen. Im gefahrlosen Leben in der Heimat fand sich der Künstler zunächst kaum zurecht. Erst ganz allmählich gelangte er zu innerer Ausgewogenheit und eigener Formensprache. Nicht zuletzt wurde die Begegnung mit seiner Frau Erika, die selbst Malerei studiert hatte, dabei zu einem wesentlichen Faktor. Beide bilden bis heute — mehr als dreißig Jahre lang — auch in künstlerischer Hinsicht ein glückliches Team… Was seine Malerei und Grafik anbetrifft, so wurzelt Hanno Edelmann auf der einen Seite in den kantigen Formen des holzschnitthaften deutschen Expressionismus, auf der anderen Seite in einer höchst differenzierten Peinture, die ihm einst durch Willem Grimm vermittelt wurde und die er dann eigenständig weiterentwickelte. Seine Darstellungsweise umspannt einen weiten Spielraum von entlarvenden zeitkritischen Szenen bis zu malerischen Schilderungen einer ausgewogenen Welt der Spannung und Harmonie, der er auf vielen Reisen zunächst in Griechenland und später in Italien begegnete und die ihm besonders auf Kreta und in Venedig wesentliche Anregungen gab. Doch nicht nur thematisch ist Edelmanns Schaffen weitgespannt. Auch in technischer Hinsicht aufaßt es ganz verschiedene Bildgattungen: Gemälde, Aquarelle, Radierungen, Holzschnitte, Farblithos und schließlieh auch Plastiken in Gips und Bronze.
Den Schwerpunkt der hier ausgestellten Werke bilden die großformatigen Gemälde aus den letzten Jahren, in denen Edelmann einen neuen Höhepunkt seines bisherigen Schaffens erreicht. Sie sind von vielschichtigen ikonografischen Bildgedanken voller Hintergründigkeit und Symbolik erfüllt. Jedes dieser Bilder hat eine lange Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte, die sich dem Betrachter nur in geduldigem Einfühlungsvermögen zu erschließen vermag. Doch auch schon auf den ersten Blick bieten sie ihm mancherlei fesselnde Aspekte, die aus der immanenten Magie der Figuren und Dinge und ihrer malerisch nuancierten Komposition resultiert.
Neben zeitkritischen Werken wie zum Beispiel “Gesellschafts spiele” oder “II Papa” finden sich rein malerische Huldigungen an die Schönheit und Harmonie wie der “Traum von Venedig” oder “Les Demoiselles”, zwei junge Frauen auf dem Sof: mit einem Flair von Modigliani. Eine in “letzter Zeit entwickelte neue Gattung im Schaffen von Edelmann bilden seine Künstlerbildnisse, in denen er nicht nur die Betreffenden selbst darstellt, sondern auch seine eigenen Empfindungen zu deren Werk und Persönlichkeit. Das Gemälde mit dem Titel “Die Welt des Professors G.“zeigt den heute achtzigjährigen Lehrer Willem Grimm mit den bezeichnenden Attributen eines jungen Modells, eines englischen Porzellanhundes und einer Rummelpottszene. Auch Paul Wunderlich und Peter Blake hat Edelmann treffend und anspielungsreich geschildert, denen einen in seiner pophaften Pin-up- und Buttonwelt, den andere mit den Attributen Mädchenakt, Rose, Bullterrier, Fotolinse, und Zettelkasten mit den Quellen seines spezifischen Manierismus. Die eigene Lebenswelt von Edelmann findet in dieser Auswahl — neben dem bereits genannten Selbstbildnis mit Wiener Künstlern — in Gemälden wie “Ganz in Blau” oder “Großes Atelierbild” ihren vielschichtigen Ausdruck, auf denen seine Frau, sein Hund, “Zettels Traum” von Arno Schmidt — eine Lieblingslektüre des Ehepaares — sowie ein Venedigbild auf der Staffelei und ein Pierrot hinter dem Vorhang auftauchen. Obwohl Edelmanns Bilder auch mancherlei literarische Anspie-lungen enthalten, sind sie niemals litherarisch im engeren Sinne. Stets geht es dem Künstler in erster Linie um die bild nerische Realisierung seiner Bildgedanken, der sich die jeweiligen Anlässe unterzuordnen haben.
Obwohl Edelmann Vorwiegend ein Figurenmaler ist, der sich am stärksten im Ölbild und in der Grafik manifestiert, hat er auch ganz verschiedenartige Landschaften und Stilleben geschaffen, die in dieser Ausstellung besonders im Medium des Aquarells vertreten sind. In seiner Druckgrafik vereint der Künstler Altmeisterliches mit Expressivem, Motive aus dem
Alten Testament mit surrealen Visionen oder Impressionen aus Venedig. “Wie Sie sich vielleicht erinnern, standen wir früher stark unter dem Eindruck unseres Griechenland-Erlebnisses”, schrieb mir Edelmann am 16.April dieses Jahres in seiner großen kalligrafischen Handschrift auf Zeichenbögen. “Seit 1979 erlebten wir nun aber Italien. Wir sind weit umhergekommen in diesem Land, vor dem wir uns frühen scheuten. Besonders Venedig, die erste italienische Stadt, die wir kennenlernten, wurde für uns sehr wichtig. Am Ende unserer letzten Reise nach Griechenland waren wir total enttäuscht von der Veränderung, die der Tourismus dort bewirkt hatte, kauften uns kurz entschlossen ein italienisches Sprachbuch und lernten auf diese Weise die ersten Sätze, um uns wenigstens verständlich machen zu können. Und dann kam Venedig: eine Offenbarung. Was wir in Griechenland nirgends erlebten, überströmte uns nun. Hier galten Kunst und Künstler etwas. Bis Palermo wurde uns immer wieder Interesse und Freundschaft entgegengetragen. Es konnte nicht ausbleiben,daß sich unter
diesem neuen starken Eindruck auch die Arbeiten veränderten. Die vorher schweren Farben und Formen wichen einer helleren Palette und menschlicheren Figuren. Plastiken entstehen, wenn eine Idee nicht so gut durch Malerei realisiert werden kann, aber beide Formen können gegenseitige Anregung bedeuten…“
Im Jahre 1983 hat Edelmann vorwiegend Plastiken geschaffen. Auch in seinen Plastiken, die mit malerischem Empfinden modelliert sind, kommt seine motivische Vielschichtigkeit und Hintergründigkeit zum Ausdruck.Auch in ihnen finden sich meta-morphosenreiche Anspielungen aus den Bereichen des Mythos, der Legende, der Dichtung und der Kunstgeschichte. “Adam und Eva”, “Philemon und Baucis”, der “Gestürzte Ikarus”,“Franciscus und der Aussätzige”, “Der große Mantel” — eine zeitgenössische Variante der Schutzmantelmadonna -, aber auch dreidimensionale Bildnisse von Rodin und Camille Claudel, von Beuys, Wunderlich und Horst Janssen bilden dafür fesselnde Beispiele, auf die ich abschließend hinweisen möchte.
Vor zwei Jahren schrieb Hanno Edelmann anläßlich einer großen Ausstellung seines Schaffens in Düsseldorf — in Hamburg waren seine Arbeiten seit 1972 nicht mehr öffentlich zu sehen!-; die folgenden Worte, die für ihn, sein Wesen und sein Werk bezeichnend sind und mit denen ich meine Einführung beenden will:
“Frühe Träume erfüllen sich, das Alter reduziert Erwartungen, vertieft die Selbstkritik. Einsamkeit mit dem geliebten Menschen ist wichtiger als öffentlicher Ruhm. Freunde ersetzen ein Volk, das Kunst nicht braucht, sie nicht schätzt, als überflüssig empfindet. Bescheidenheit ist Reichtum. Die Kunst ist absolut.”
Prof.Dr.Hans Theodor FLemming, 8.Mai 1985
Prof.Dr.Hans Theodor FLemming, 8.Mai 1985
Zu den im letzten Jahr entstandenen großformatigen Gemälden von Hanno Edelmann gehört ein Ölbild mit dem Titel “Selbst mit Wiener Künstlern”, das den Maler in einer imaginären Runde mit vier berühmten Kollegen in surrealer Symbolik darstellt. Ernst Fuchs hält eine Breker-Pigur einfühlsam in der Hand, Alfred Hrdlicka ist in einer seiner blockhaften Skulpturen von unheimlicher Expressivität verschränkt, der sanfte Arik Brauer präsentiert in Salome-Gestus einen Teller mit dem Kopf von Joseph Beuys, und Friedensreich Kundertwasser geigt liebevoll mit einem Violinbogen, ohne daß ein Instrument sichtbar ist, wobei lichtes Grün aus seinem geheimnisvollen Tun hervorsprießt…
Die anspielungsreiche Selbstdarstellung spiegelt Edelmanns geistesverwandte Sympathie für solche Künstler, die unbeirrbar ihren eigenen Weg gehen, ihr Werk unabhängig von den herrschenden Trends entfalten und sich nicht in eine bestimmte Richtung einordnen lassen. Künstler, die sich nicht allein auf formale Probleme der Farbe und Komposition beschränken, sondern in ihren tieflotenden Werken eine in die Bereiche des Humanen und Kosmischen hinausweisende Botschaft an ihre Mitmenschen zu vermitteln versuchen„
Eine Botschaft jedoch, die nicht als weltanschauliches Alibi für schlechte Malerei dient — wie das heute so häufig der Fall ist -, sondern sich ganz und gar in bildnerischen Formen von starker Eindringlichkeit und Aussagekraft manifestiert.
Bei aller Verschiedenheit von den genannten Wienern, die er
meistens gar nicht persönlich kennt, gehört auch der Hamburger Hanno Edelmann zu den immer selteneren Künstlern, die ihren Weg unbeirrt durch vermeintlich aktuelle Strömungen verfolgen, allein ihrem bildnerischen Impuls und inneren Auftrag verpflichtet. Als vor 25 Jahren allerorts Tachismus und Psychografie, action painting und art informel die maßgebliche Kunstszene beherrschten, ließ sich Edelmann nicht von seiner betont figurativen Gestaltung ablenken, die das “Drama Mensch” zum Thema hatte, den Menschen und seine Umwelt den Menschen und sein Fatum, den Menschen und die ihm immanenten Abgründe in Bildern und Zeichnungen vielschichtig veranschaulichte. Wie ich schon in meinen beiden früheren Ansprachen zu Edelmann-Ausstellungen in Bielefeld 1961 und in Hamburg 1972 sowie auch in meinen Kritiken in der WELT seit 1955 betonte, blieben dennoch stets die für den Künstler entscheidenden Probleme der formalen Realisierung’seiner Bildgedanken niemals außer Acht. Im Gegenteil: in Edelmanns durch die Themen Mensch und Landschaft geprägten Werken sind Ausdruck und Ausgewogenheit, Expression und Peinture eine ganz persönliche Symbiose eingegangen, in denen sich malerische und grafische Elemente seiner Studienzeit bei Willem Grimm mit den eigenen, in der Kunst, im Leben und im mediterranen Raum gewonnenen Erfahrungen paaren. Bevor ich zu den hier ausgestellten Arbeiten spreche, die Edelmanns Schaffen zum ersten Mal seit dreizehn Jahren in seiner Vaterstadt zeigen, noch ein paar Worte zu dem Werdegang und Entwicklungsweg des Künstlers. Hanno Edelmann stammt aus einer Familie, in der es eine Reiht bekannter Musiker gab. Schon im Alter von sechs Jahren erhielt er den ersten Violin-Unterricht, fast gleichzeitig begann er mit Begeisterung zu zeichnen und zu modellieren.
Wie Paul Klee schwankte er lange Zeit zwischen Musik und Malerei,ehe er sich — nach eigenen Angaben bereits mit elf
Jahren — für den Malerberuf entschied, nicht ohne häusliche Widerstände zu überwinden. Zu einem entscheidenden Ereignis für seine Auffassungen vom Leben in unserer Welt wurde für ihn der Zweite Weltkrieg, den er als Soldat von 1941 bis 1944-in Frankreich und Rußland mitmachte und anschließend von 1944- bis 1948 als Kriegsgefangener in Sibirien auf bittere Weise erlebte. In Rußland entging Edelmann dem Tode durch Erschießen nur um Haaresbreite. In den harten Jahren der Gefangenschaft begann er unter schwierigsten Umständen wieder bildnerisch zu arbeiten. Damals begann ein Weg, wie er mir in einer Skizze seines Lebens einmal schrieb, der teils grausam war in der Erkenntnis der eigenen Ohnmächtigkeit, teils außerordentlich glücklich in der Bewußtwerdung starker geistiger Kräfte. Auch viel später, als er nach seiner Rückkehr aus russischer Gefangenschaft von 1948 bis 1952 an der Hamburger Kunsthochschule am Lerchenfeld bei Willem Grimm studierte, waren seine Studienjahre noch lange Zeit überschattet von den furchtbaren Kriegserlebnissen. Im gefahrlosen Leben in der Heimat fand sich der Künstler zunächst kaum zurecht. Erst ganz allmählich gelangte er zu innerer Ausgewogenheit und eigener Formensprache. Nicht zuletzt wurde die Begegnung mit seiner Frau Erika, die selbst Malerei studiert hatte, dabei zu einem wesentlichen Faktor. Beide bilden bis heute — mehr als dreißig Jahre lang — auch in künstlerischer Hinsicht ein glückliches Team… Was seine Malerei und Grafik anbetrifft, so wurzelt Hanno Edelmann auf der einen Seite in den kantigen Formen des holzschnitthaften deutschen Expressionismus, auf der anderen Seite in einer höchst differenzierten Peinture, die ihm einst durch Willem Grimm vermittelt wurde und die er dann eigenständig weiterentwickelte. Seine Darstellungsweise umspannt einen weiten Spielraum von entlarvenden zeitkritischen Szenen bis zu malerischen Schilderungen einer ausgewogenen Welt der Spannung und Harmonie, der er auf vielen Reisen zunächst in Griechenland und später in Italien begegnete und die ihm besonders auf Kreta und in Venedig wesentliche Anregungen gab. Doch nicht nur thematisch ist Edelmanns Schaffen weitgespannt. Auch in technischer Hinsicht aufaßt es ganz verschiedene Bildgattungen: Gemälde, Aquarelle, Radierungen, Holzschnitte, Farblithos und schließlieh auch Plastiken in Gips und Bronze.
Den Schwerpunkt der hier ausgestellten Werke bilden die großformatigen Gemälde aus den letzten Jahren, in denen Edelmann einen neuen Höhepunkt seines bisherigen Schaffens erreicht. Sie sind von vielschichtigen ikonografischen Bildgedanken voller Hintergründigkeit und Symbolik erfüllt. Jedes dieser Bilder hat eine lange Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte, die sich dem Betrachter nur in geduldigem Einfühlungsvermögen zu erschließen vermag. Doch auch schon auf den ersten Blick bieten sie ihm mancherlei fesselnde Aspekte, die aus der immanenten Magie der Figuren und Dinge und ihrer malerisch nuancierten Komposition resultiert.
Neben zeitkritischen Werken wie zum Beispiel “Gesellschafts spiele” oder “II Papa” finden sich rein malerische Huldigungen an die Schönheit und Harmonie wie der “Traum von Venedig” oder “Les Demoiselles”, zwei junge Frauen auf dem Sof: mit einem Flair von Modigliani. Eine in “letzter Zeit entwickelte neue Gattung im Schaffen von Edelmann bilden seine Künstlerbildnisse, in denen er nicht nur die Betreffenden selbst darstellt, sondern auch seine eigenen Empfindungen zu deren Werk und Persönlichkeit. Das Gemälde mit dem Titel “Die Welt des Professors G.“zeigt den heute achtzigjährigen Lehrer Willem Grimm mit den bezeichnenden Attributen eines jungen Modells, eines englischen Porzellanhundes und einer Rummelpottszene. Auch Paul Wunderlich und Peter Blake hat Edelmann treffend und anspielungsreich geschildert, denen einen in seiner pophaften Pin-up- und Buttonwelt, den andere mit den Attributen Mädchenakt, Rose, Bullterrier, Fotolinse, und Zettelkasten mit den Quellen seines spezifischen Manierismus. Die eigene Lebenswelt von Edelmann findet in dieser Auswahl — neben dem bereits genannten Selbstbildnis mit Wiener Künstlern — in Gemälden wie “Ganz in Blau” oder “Großes Atelierbild” ihren vielschichtigen Ausdruck, auf denen seine Frau, sein Hund, “Zettels Traum” von Arno Schmidt — eine Lieblingslektüre des Ehepaares — sowie ein Venedigbild auf der Staffelei und ein Pierrot hinter dem Vorhang auftauchen. Obwohl Edelmanns Bilder auch mancherlei literarische Anspie-lungen enthalten, sind sie niemals litherarisch im engeren Sinne. Stets geht es dem Künstler in erster Linie um die bild nerische Realisierung seiner Bildgedanken, der sich die jeweiligen Anlässe unterzuordnen haben.
Obwohl Edelmann Vorwiegend ein Figurenmaler ist, der sich am stärksten im Ölbild und in der Grafik manifestiert, hat er auch ganz verschiedenartige Landschaften und Stilleben geschaffen, die in dieser Ausstellung besonders im Medium des Aquarells vertreten sind. In seiner Druckgrafik vereint der Künstler Altmeisterliches mit Expressivem, Motive aus dem
Alten Testament mit surrealen Visionen oder Impressionen aus Venedig. “Wie Sie sich vielleicht erinnern, standen wir früher stark unter dem Eindruck unseres Griechenland-Erlebnisses”, schrieb mir Edelmann am 16.April dieses Jahres in seiner großen kalligrafischen Handschrift auf Zeichenbögen. “Seit 1979 erlebten wir nun aber Italien. Wir sind weit umhergekommen in diesem Land, vor dem wir uns frühen scheuten. Besonders Venedig, die erste italienische Stadt, die wir kennenlernten, wurde für uns sehr wichtig. Am Ende unserer letzten Reise nach Griechenland waren wir total enttäuscht von der Veränderung, die der Tourismus dort bewirkt hatte, kauften uns kurz entschlossen ein italienisches Sprachbuch und lernten auf diese Weise die ersten Sätze, um uns wenigstens verständlich machen zu können. Und dann kam Venedig: eine Offenbarung. Was wir in Griechenland nirgends erlebten, überströmte uns nun. Hier galten Kunst und Künstler etwas. Bis Palermo wurde uns immer wieder Interesse und Freundschaft entgegengetragen. Es konnte nicht ausbleiben,daß sich unter
diesem neuen starken Eindruck auch die Arbeiten veränderten. Die vorher schweren Farben und Formen wichen einer helleren Palette und menschlicheren Figuren. Plastiken entstehen, wenn eine Idee nicht so gut durch Malerei realisiert werden kann, aber beide Formen können gegenseitige Anregung bedeuten…“
Im Jahre 1983 hat Edelmann vorwiegend Plastiken geschaffen. Auch in seinen Plastiken, die mit malerischem Empfinden modelliert sind, kommt seine motivische Vielschichtigkeit und Hintergründigkeit zum Ausdruck.Auch in ihnen finden sich meta-morphosenreiche Anspielungen aus den Bereichen des Mythos, der Legende, der Dichtung und der Kunstgeschichte. “Adam und Eva”, “Philemon und Baucis”, der “Gestürzte Ikarus”,“Franciscus und der Aussätzige”, “Der große Mantel” — eine zeitgenössische Variante der Schutzmantelmadonna -, aber auch dreidimensionale Bildnisse von Rodin und Camille Claudel, von Beuys, Wunderlich und Horst Janssen bilden dafür fesselnde Beispiele, auf die ich abschließend hinweisen möchte.
Vor zwei Jahren schrieb Hanno Edelmann anläßlich einer großen Ausstellung seines Schaffens in Düsseldorf — in Hamburg waren seine Arbeiten seit 1972 nicht mehr öffentlich zu sehen!-; die folgenden Worte, die für ihn, sein Wesen und sein Werk bezeichnend sind und mit denen ich meine Einführung beenden will:
“Frühe Träume erfüllen sich, das Alter reduziert Erwartungen, vertieft die Selbstkritik. Einsamkeit mit dem geliebten Menschen ist wichtiger als öffentlicher Ruhm. Freunde ersetzen ein Volk, das Kunst nicht braucht, sie nicht schätzt, als überflüssig empfindet. Bescheidenheit ist Reichtum. Die Kunst ist absolut.”